Wenn David Friedländer sich darauf vorbereitet, zu einem Treffen des Projekts "Meet a Jew" zu gehen, dann überlegt er nicht nur, welche Themen für die Teilnehmer interessant sein könnten, sondern packt auch typisch jüdische Gegenstände ein. Zum Beispiel Ritualgegenstände, die er für das Gebet in der Synagoge braucht, wie die Kippa oder den Tallit, den Gebetsmantel. "Einfach um zu zeigen: Das sind Sachen, die man vielleicht im Fernseher mal gesehen hat, aber an mir sehen sie dann doch anders aus, als in der Tagesschau", erklärt er.
Offener Austausch auf Augenhöhe
Denn genau darum geht es bei "Meet a Jew": das jüdische Leben in Deutschland kennenzulernen. Im Rahmen von sogenannten Begegnungen kommen Juden in Schulklassen, Sportvereine und andere Gruppen und erzählen von ihrem Alltag und ihrem Glauben. David Friedländer ist einer von diesen Freiwilligen.
Warum er bei dem Projekt mitmacht? "Ich wollte einfach, glaube ich, Menschen die Gelegenheit geben, Jüdinnen und Juden in ganz authentischer Gesprächsatmosphäre auf Augenhöhe Fragen zu stellen, einen offenen Austausch zu pflegen und den Menschen näher zu bringen, dass Juden ganz normale Menschen sind die ganz normal leben, wie alle anderen auch", sagt er.
Vorurteile als gesamtgesellschaftliches Phänomen
Vorurteile und Halbwissen über das Judentum gibt es nach wie vor. Gerade viele junge Menschen haben noch nie in ihrem Leben einen Juden getroffen. Und das wollen Friedländer und die anderen Freiwilligen ändern. "Die Vorurteile über Juden können ja deshalb so lange bestehen, weil man relativ wenig Juden kennt", so Friedländer.
"Es gibt auch Vorurteile über Blondinen, aber wer nimmt die tatsächlich ernst? Weil jeder Mensch einen Haufen an blondhaarigen Menschen kennt und weiß, dass diese Vorurteile vielleicht lustig sind, aber doch jeglicher Realität entbehren."
Aber, und auch das ist David Friedländer wichtig: Es geht bei den Begegnungen nicht in erster Linie darum, über einzelne Vorurteile konkret zu sprechen. Denn dann würde man sie reproduzieren – und das wäre der falsche Weg. "Vorurteile sind ja etwas, was sowohl bei den Teilnehmern als auch bei den Freiwilligen existiert. Das ist ja was rein Menschliches", findet Friedländer.
"Es geht aber darum, die Systematik dahinter aufzudecken. Und ich glaube, den wichtigsten Schritt zum Abbau von Vorurteilen haben eigentlich alle Teilnehmer und alle Freiwilligen schon geleistet, wenn sie in dieser Begegnung sind. Sie sind nämlich bereit, Vorurteile, die sie vielleicht haben, zu hinterfragen." Das funktioniert vor allem über den persönlichen Austausch. "Man hat die Möglichkeit, Menschen kennenzulernen in all ihren Facetten. Das ist eine Grunderkenntnis von allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern: Dass wir alle unterschiedlich sind."
Verschiedene Fragen je nach Gruppen
Unterschiedlich sind auch die Begegnungen und die Fragen, die David Friedländer gestellt werden. "Sie haben in einer Schulklasse oft wesentlich konkretere Fragen - zum Lebensstil, zum ganz persönlichen Alltag - als Sie zum Beispiel in einer politischen Organisation haben, wo es auch viel um politische Rahmenbedingungen, Antisemitismus und solche Themen, vielleicht auch den Nahostkonflikt geht."
Und auch an außergewöhnlichen Orten hat Friedländer schon Begegnungen durchgeführt. "Ich hatte zum Beispiel mal einen sehr außergewöhnlichen Ansatz in einer JVA, dort waren eher migrantischstämmige Straftäter in dieser Gruppe, weil es nämlich der Eingliederungskurs war. Dort hören Sie viel offenere Vorurteile, weil es auch einfach nicht diese soziale Normung gibt, die nicht auszusprechen."
Kampf gegen Vorurteile als Kampf gegen Menschenfeindlichkeit
Die Reaktionen auf die Begegnungen sind meistens sehr positiv. "Ich fand es mega gut, dass wir alles fragen konnten, was wir wollten und dass Sie so offen waren. Denn so hattest du keine Angst zu fragen und du konntest viel rausfinden", erzählt eine Schülerin nach einer solchen Begegnung. Und das ist auch David Friedländer in den Begegnungen besonders wichtig: dass absolut alle Fragen erlaubt sind. Das bereichere nicht nur die Gruppen, die er besucht, sondern auch ihn selber: "Weil ich einfach ganz verschiedene Menschen kennenlerne und ich auch immer wieder erstaunt und auch erfreut bin, wie bereit Menschen sind, sich für Themen einzusetzen und zu hinterfragen, von denen sie gar nicht selber betroffen sind."
Und er möchte vermitteln: "Der Einsatz und das hinterfragen von Vorurteilen darf sich nicht auf den Kampf gegen Judenfeindlichkeit beschränken. Es muss Eintreten sein gegen jegliche Menschenfeindlichkeit, wo Menschen aufgrund gewisser Merkmale diskriminiert und ausgegrenzt werden."