Wie New Yorks Abtreibungsgesetz den US-Kulturkampf anheizt

Politik machen mit Spätabtreibungen

Die Entscheidung des Bundesstaates New York, Spätabtreibungen noch bis zur Geburt straffrei zu stellen, heizt in den USA den Kulturkampf an. 

Autor/in:
Bernd Tenhage
Schwangerschaftstest / © Harald Oppitz (KNA)
Schwangerschaftstest / © Harald Oppitz ( KNA )

Das Läuten der Kirchenglocken untermalte das rosa Aufleuchten der Wolkenkratzer von Manhattan. Statt für Harmonie steht dieses Bild für massive Dissonanz nicht nur in New York. Der 22. Januar 2019 geht als ein Tag in die Geschichte des Bundesstaates ein, der eine jahrzehntelange Kontroverse um Abtreibungen wieder neu entfacht hat.

Der Senat des Staates New York verabschiedete am 22. Januar ein Gesetz, das Abtreibungen unter bestimmten Voraussetzungen noch bis zur Geburt straffrei ermöglicht. Demnach sind Schwangerschaftsabbrüche bis zum neunten Monat erlaubt, falls die Gesundheit der Mutter gefährdet oder der Embryo nicht lebensfähig ist.

Katholische Kirche sieht in der Entscheidung eine Provokation

Die neue demokratische Parlamentsmehrheit in New York setzte damit durch, was die Republikaner jahrelang verhindert hatten: eine Angleichung der Gesetzgebung an die Rechtsprechung des höchsten US-Bundesgerichts in dem Grundsatzurteil "Roe gegen Wade" von 1973.

Während mehrere Bauwerke New Yorks zum Zeichen der Befürwortung des Gesetzes rosa beleuchtet wurden, ließ Bischof Edward Scharfenberg von Albany aus Protest die Glocken der Kathedrale läuten. So etwas würde man noch "nicht mal Hund und Katze" antun, kommentierte er die Gesetzesänderung. Die katholische Kirchenleitung und überhaupt viele US-Christen sehen in der Entscheidung eine Provokation.

Trump: Demokraten seien die "Partei der Spätabtreibung"

Dass ausgerechnet der erklärte Katholik Andrew Cuomo als Gouverneur dafür sorgte, das Gesetz umgehend in Kraft zu setzen, stieß auch beim New Yorker Kardinal Timothy Dolan auf massive Kritik. Die Forderung, Cuomo zu exkommunizieren, wies Dolan allerdings als "unklug" zurück; dies würde nur von dem eigentlich wichtigen Thema ablenken.

Ganz anders sind die Reaktionen im politischen Raum. US-Präsident Donald Trump erkannte sofort die Chance, das Thema nutzbar zu machen. Er nannte die Demokraten die "Partei der Spätabtreibung".

Republikaner erhoffen sich mehr Stimmen

Dabei sind Spätabtreibungen zuletzt eine Seltenheit. Sie machten laut offizieller Statistik etwas mehr als ein Prozent aller Abtreibungen in den USA aus und waren meist medizinisch indiziert. Doch die Vorstellung, Babys bis kurz vor der Geburt mit Saugglocke, Kochsalzlösung oder Zange aus dem Mutterleib zu entfernen, schweißt die Allianz aus Katholiken, Evangelikalen, konfessionslosen Lebensschützern und Republikanern zusammen.

Republikanische Strategen setzten darauf, diese Emotionen bei den Präsidentschafts- und Kongresswahlen 2020 in Stimmen umzumünzen. "Es wird, offen gesagt, bei den Wahlen zum Thema werden", prophezeit die Präsidentin des National Right to Life Committee, Carol Tobias. Was zu erwarten ist, gibt US-Vizepräsident Mike Pence bereits zu erkennen, wenn er von einer "schamlosen Umarmung einer Kultur des Todes" spricht.

Trump punktet bei seiner Gefolgschaft

Die Abtreibungsdebatte verschärft sich in Folge des New Yorker Gesetzes rasant - zumal auch andere Bundesstaaten Änderungen planen. Der republikanische Senator Marco Rubio vergleicht diese Änderungen in der Gesetzgebung mit der Legalisierung von Kindesmord.

Trump kann mit dem Thema bei seiner Gefolgschaft punkten. Die war schon begeistert, als er mit der Ernennung von Neil Gorsuch und Brett Kavanaugh für das Oberste Verfassungsgericht Anhänger der Pro-Life-Bewegung an den Supreme Court berief. Seither hofft das Pro-Life-Lager auf eine Korrektur des Grundsatzurteils "Roe gegen Wade", das 1973 Abtreibungen bis kurz vor der Geburt straffrei stellte.

Abtreibung auch Thema beim Wahlkampf 2016

Bereits im Wahlkampf 2016 hatte das Abtreibungsthema im letzten TV-Duell Trumps gegen Hillary Clinton für Schlagzeilen gesorgt. Trump warf Clinton vor, sie befürworte Abtreibungen, die es Ärzten ermöglichten, "ein Baby kurz vor der Geburt aus dem Schoß der Mutter zu reißen". "Das war der Moment, in dem Trump den Deal mit den Evangelikalen machte", erinnert sich der Präsident des "Family Research Council", Tony Perkins.

Weil es damals funktionierte, planen Trumps Strategen für 2020 offenbar einmal mehr den Schulterschluss der Sozialkonservativen gegen die Demokraten. Mit dem Gesetz von New York haben sie nun einen neuerlichen Anlass, die Fronten klar zu ziehen.


Quelle:
KNA
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