Die Zeiger der beiden Uhren am Petersdom zeigten zehn vor elf, als der Sarg mit dem verstorbenen Benedikt XVI. mit Weihrauch ummantelt wurde. Während Papst Franziskus diesen ehrwürdigen Moment andächtig verfolgte, ertönte in den Reihen der Gebirgsschützen und Trachtler auf dem Petersplatz plötzlich ein lauter Ruf: "Und jetzt die Bayern-Hymne!".
Ein dumpfer Trommelschlag, dann setzte auch schon die Blaskapelle der Freiwilligen Feuerwehr Unterpfaffenhofen ein, und ein großer Chor aus der geliebten Heimat des Toten sang inbrünstig "Gott mit Dir, Du Land der Bayern, Heimaterde, Vaterland". Vermutlich wird es das letzte Mal für lange Zeit gewesen sein, dass mitten im Zentrum der katholischen Weltkirche alle drei Strophen dieses in Musik gefassten Gebets erklangen. Es war schon die offizielle Hymne Bayerns, als dieses noch von einem König regiert wurde.
In Rom waren es 9 Grad Celsius
Wer bis dato bei dieser Totenmesse für einen 95-jährigen Kirchenmann mit einem erfüllten Leben noch nicht geweint hatte, den musste jetzt einfach die Rührung überkommen. Sogar der Nebel über dem Petersdom war zu diesem Zeitpunkt einem weiß-blauen Himmel gewichen, so dass die Sonne einige Strahlen hindurchschicken konnte in das gerade Mal 9 Grad Celsius kühle Rom.
Wie sehr hatte Benedikt diese Hymne geliebt; wie sehr war der Kirchenmann an Nachrichten aus der Heimat interessiert. Gerade als ihm klar wurde, dass er - anders als er es sich lange vorgestellt hatte - seinen Lebensabend in Rom verbringen würde. Auch Kardinal Reinhard Marx, den er trotz dessen westfälischer Herkunft Ende 2007 zum Erzbischof von München und Freising ernannt hatte, wusste um diese Begeisterung genauso wie Ministerpräsident Markus Söder (CSU).
Sie brachten Weißwürste, Brezen und Weißbier
Söder, aber auch sein Vor-Vorgänger Edmund Stoiber, brachten bei Besuchen zudem immer Spezialitäten wie Weißwürste, Brezen und Weißbier mit. Auch wenn Benedikt bekanntlich mehr zu alkoholfreier Limonade tendierte. "Mein Herz schlägt bayrisch" hatte der 2005 gewählte Papst in einer seiner ersten Audienzen bekundet, nicht ohne hinzuzufügen: "In meinem Amt gehöre ich der Welt".
Dennoch verleugnete er nie seine Herkunft. Selbst wenn er Italienisch sprach, war es gefärbt vom Idiom der Inn-Salzach-Region, in der Joseph Ratzinger aufgewachsen war. Die dort in Kindertagen erlebte barocke Volksfrömmigkeit prägte zeitlebens seinen Glauben - das bekamen auch seine Landsleute stets zu spüren, wenn sie ihn im Vatikan besuchten. Reisten sie in Tracht an, sagte er zu ihnen: "Das tut mein Herz auf."
Besonderes Anliegen
Und wenn er heute von oben aus dem Himmel zuschaute, dann ging es ihm wohl genauso. Als die Teilnehmenden der Delegation sich um 5 Uhr am Münchner Flughafen trafen, jammerten zwar alle über die kurze Nacht. Doch es war allen ein besonderes Anliegen, wie es Söder nannte, dem "bayerischen Papst" die letzte Ehre zu erweisen. Noch vor dem Abflug wurden Anekdoten ausgetauscht. "Ich war bei der Amtseinführung und beim 80. Geburtstag", sagte der eine, der andere erinnerte sich noch an den heißen August 2012.
Damals gab es als nachträgliches Geburtstagsgeschenk einen Hoagascht (bayerisch für geselliges Beisammensein mit Volksmusik) inmitten der päpstlichen Sommerresidenz Castel Gandolfo. Zuvor hatten die Gebirgsschützen, deren Ehrenmitglied der Kompanie Tegernsee Benedikt war, Salut geschossen.
Petrus bekommt um 12 Uhr Weißwürste von Engeln serviert
Denkt der Bayer ans Paradies, kommt ihm sofort der "Brandner Kaspar" in den Sinn: In der oberbairischen Mundarterzählung Franz von Kobells von 1871 lässt sich Petrus mittags um 12 Uhr Weißwürste von den Engeln servieren.
Aber es gibt auch jenen Himmel des Münchner Dienstboten Alois Hingerl, "der das ewige Halleluja-Singen nicht mehr aushält", wie Joseph Ratzinger in Peter Seewalds Interview-Buch "Gott und die Welt" ausführt.
Wie also sollte man sich die Ewigkeit vorstellen? Darauf hatte der Kirchenmann eine Antwort, an der auch liberale Theologieprofessoren kaum etwas auszusetzen hätten: eher in der "Kategorie des erfüllten Augenblicks", jenseits aller Zeit. Möge Benedikt diesen nun gefunden haben.