Wie Sport in der Entwicklungszusammenarbeit helfen kann

"Hohe Attraktivität und guter Türöffner"

Olympia 2024 geht zu Ende. Im Fokus standen Topathletinnen und Spitzensportler, die ihre Leistung mit Medaillen krönen konnten. Ärmere Länder können da kaum mithalten. Dabei kann Sport dort durchaus bei Krisen helfen.

Autor/in:
Johannes Senk
Arnovis Dalmero aus Kolumbien bei Olympia in Paris 2024 (Leichtathletik) / © Michael Kappeler (dpa)
Arnovis Dalmero aus Kolumbien bei Olympia in Paris 2024 (Leichtathletik) / © Michael Kappeler ( dpa )

Mit einer großen Abschlussfeier im Stade de France werden am Sonntag die Olympischen Spiele in Paris beendet.

Über zwei Wochen kämpften Athletinnen und Athleten in 32 Sportarten um insgesamt 987 Medaillen. An der Spitze des Medaillenspiegels werden wie so oft die USA stehen. China, Großbritannien und Gastgeber Frankreich stehen ebenfalls weit oben, Deutschland kämpft noch um seinen Platz in den Top 10.

Die Medaillengewinner erhalten selbstverständlich die größte Aufmerksamkeit. Doch nahmen an diesen Olympischen Spielen Athletinnen und Athleten aus 206 Nationen teil. Das wird leicht übersehen, da der allermeisten Länder kein einziges Edelmetall erhielten und in vielen Fällen auch nur in einigen wenigen Disziplinen überhaupt mit einem Teilnehmer oder einer Teilnehmerin vertreten waren.

Afrika so viele Medaillen wie Deutschland

Afrika etwa war mit über 1.000 Athleten aus 54 Nationen vertreten, Medaillen gab es für den gesamten Kontinent jedoch nur knapp über 20 - etwa so viele wie das deutsche Olympia-Aufgebot. Größere Beachtung erhielt bei diesen Spielen im Vorfeld aber immerhin die Basketballmannschaft des Südsudan. 

Die Spieler aus Südsudan feiern nach ihrem Sieg bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris / © Michael Conroy/AP (dpa)
Die Spieler aus Südsudan feiern nach ihrem Sieg bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris / © Michael Conroy/AP ( dpa )

Schon die erstmalige Qualifikation für Olympia kam einer Sensation gleich. Nur knapp unterlagen die Spieler aus dem jüngsten und gleichzeitig einem der ärmsten Staaten der Welt in der Vorbereitung den starbesetzten US-Basketballern mit 100:101. Bei Olympia selbst fiel das Ergebnis dann aber deutlich zu Gunsten der USA aus.

Dass die Welt daran Anteil nahm, ist wohl darauf zurückzuführen, dass es sich um ein Land handelt, bei dem Sport in der allgemeinen Wahrnehmung ohnehin eine untergeordnete Rolle spielt. Sportliche Erfolge wollen nicht recht passen zu Staaten wie dem Südsudan, Somalia oder Haiti, die vielmehr als Synonym für Armut und Gewalt gesehen werden und unter multiplen Krisen leiden. Zudem ist die Infrastruktur mit ausreichend Sportplätzen, geschweige denn Stadien, für das Training dort in der Regel nicht vorhanden.

Mit Sport Kinder und Jugendliche erreichen

Dabei kann Sport durchaus eine Möglichkeit sein, um zur Stabilisierung beizutragen. Einen solchen Ansatz verfolgt schon seit 2010 auch die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Die Idee dazu entstand damals im Zusammenhang mit einem anderen großen Sportevent, der Fußballweltmeisterschaft in Südafrika 2010, wie Programmleiter Axel Caldas erklärt. 

"Wir haben damals festgestellt, dass wir mit dem Sportprogramm gesellschaftliche Gruppen ansprechen konnten, die sonst nur schwer erreichbar sind."

Das Prinzip zielte damals vor allem auf Kinder und Jugendliche ab, um sie für Themen wie Gewalt und HIV-Prävention zu erreichen. Seitdem wird es in der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit in über 50 Ländern eingesetzt. Im Zeitraum von 2013 bis 2025 wurden und werden so über 100 Millionen Euro in reine Sport und Entwicklungsprojekte investiert.

"Es reicht nicht, einen Ball hinzuwerfen"

"Sport hat insbesondere für Kinder und Jugendliche eine hohe Attraktivität und ist ein sehr guter Türöffner, um Entwicklungsziele zu erreichen", erklärt Caldas. Dabei wird der Anschluss an Sportlehrer, Schulen und Vereine genutzt, um bei Einheiten mitzuwirken. 

Die Sportsessions, die ohnehin angeboten werden, sollen dann mit pädagogischen und psychologischen Elemente angereichert werden. Themen wie Friedensförderung, Gewaltprävention und Geschlechtergerechtigkeit gehören zum Inhalt. 

Es sei wichtig den "Alltagsbezug" für die Kinder und Jugendlichen durchsetzen, betont Caldas. Wichtig sei es aber auch, dass die Einheiten richtig angeleitet würden. "Es reicht nicht, einen Ball hinzuwerfen und zu sagen: 'Jetzt spielt mal zusammen damit'.

Demonstranten protestieren in Bogota gegen die Steuerreform in Kolumbien / © Ivan Valencia (dpa)
Demonstranten protestieren in Bogota gegen die Steuerreform in Kolumbien / © Ivan Valencia ( dpa )

Welche positive Entwicklung diese Sporteinheiten auf Menschen haben könne, habe er selbst bei einem Einsatz in Kolumbien erlebt, erzählt der Experte: "Bei einer Sporteinheit waren ein ehemaliger Guerillakämpfer und ein ehemaliger Paramilitär unter den Teilnehmern. 

Als wir uns nach dem Sport im Kreis zusammensetzten, hat der eine gegenüber dem anderen seine Gefühle so ausgedrückt: 'Vor drei Monaten hätte ich noch versucht, dich zu töten. Jetzt spielen wir in einem Team zusammen'. Das fand ich sehr eindrucksvoll."

Leistungsgedanke nicht im Vordergrund

Dass aus entwicklungspolitischen Sportprogrammen nun künftige Olympia-Helden hervorgingen, ist laut Caldas nicht zu erwarten - aber auch nicht das Ziel. "Es geht nicht um sportliche Leistung. Durch den Sport werden subtil und spielerisch Kompetenzen vermittelt. Für Kinder und Jugendliche ist es zudem eine Entlastung ihres oft schwierigen, von Gewalt oder sogar Flucht geprägten Alltags."

 

Quelle:
KNA