Wie steht es um die Inklusion im Sport?

"Man hat schon viel getan, aber es ist noch Luft nach oben"

Die gleichen Siegprämien für behinderte und nichtbehinderte Athleten sowie gemeinsame Freiwilligen-Tandems: Über gelungene Beispiele für Inklusion im Sport spricht die Präsidentin des DJK-Sportverbandes Elsbeth Beha.

Autor/in:
Nicola Trenz
 © XArtProduction (shutterstock)

Katholische Nachrichten-Agentur (KNA): Frau Beha, was bedeutet Inklusion im Sport?

Elsbeth Beha, Präsidentin des DJK-Sportverbandes / © Rainer Nolte (KNA)
Elsbeth Beha, Präsidentin des DJK-Sportverbandes / © Rainer Nolte ( KNA )

Elsbeth Beha (Präsidentin des DJK-Sportverbandes): Inklusion bezeichnet die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen am gesellschaftlichen Leben, also auch von Menschen mit einer Behinderung. Im Sport bedeutet Inklusion, dass Menschen mit einem Handicap die Möglichkeit bekommen, ihren Sport angemessen und vor allen Dingen auch überall ausüben zu können, idealerweise natürlich in einem Sportverein und zusammen auch mit Nicht-Behinderten.

KNA: Was hören Sie in Ihrem Arbeitsalltag von Sportlerinnen und Sportlern mit Behinderung, wo sehen diese Hindernisse?

Beha: In Gesprächen kristallisiert sich immer wieder heraus, dass Teilhabe für behinderte Menschen bedeutet, selbst entscheiden zu können, ob sie gemeinsam mit Behinderten oder mit Nicht-Behinderten Sport treiben wollen. Die ehemalige Inklusionsmanagerin unseres Verbandes, die selbst behindert ist, hat immer gesagt: Inklusion bedeutet, dass jeder Mensch mit Behinderung entscheiden kann, wo er unterwegs sein will. Man muss die Wahlmöglichkeit bieten.

KNA: Wie lebt Ihr Sportverband Inklusion?

Beha: Wir sehen uns als christlich-werteorientierten Sportverband, und ich muss sagen: Das Sporttreiben von Behinderten und Nicht-Behinderten war bei uns schon lange ein Thema, bevor der Begriff Inklusion durch die UN-Behindertenrechtskonvention 2009 einem breiten Publikum bekannt geworden ist. Unser Leitmotiv lautet "Sport um der Menschen willen" - es war für uns immer wichtig, Sport für alle Menschen unabhängig von ihrer körperlichen Voraussetzung oder ihrer Leistungsfähigkeit anzubieten. Die Hauptsache ist, man hat Spaß miteinander.

In vielen DJK-Vereinen gibt es Sportangebote für Menschen mit und ohne Behinderung. Die Rahmenbedingungen sind in den einzelnen Vereinen sehr unterschiedlich. Bei den Rahmenbedingungen für Inklusion denkt man vielleicht an Barrierefreiheit, in erster Linie vermutlich an räumliche Barrierefreiheit. Aber es gibt auch eine Barrierefreiheit, die in den Köpfen und Strukturen erstmal ankommen muss.

KNA: Haben Sie konkrete Beispiele?

Beha: Wir haben ein Projekt unter dem Motto "Nur wer es versucht, kann es verstehen". Damit wollen wir den Vereinen das nötige Handwerkszeug geben, damit sie sich für Menschen mit einer Behinderung öffnen können und ihnen signalisieren: "Bei uns in unserem Verein bist du willkommen, hier kannst du deinen Sport betreiben, hier kannst du Gemeinschaft finden."

Außerdem haben wir inklusive Freiwilligen-Teams. Sogenannte Volunteers sind ja überall notwendig, wenn es um Großveranstaltungen geht. Ein Tandem aus einem Menschen mit und einem ohne Behinderung unterstützt Sportveranstaltungen. Auch in unseren Lehrgängen für Übungsleiterinnen und Trainer ist Inklusion als Modul fest verankert. Und unser großes Highlight, das DJK-Bundessportfest, findet inklusiv statt.

KNA: Wie schätzen Sie die Rahmenbedingungen für Menschen mit Behinderung ganz allgemein im Breitensport ein?

Beha: Das ist schwer einzuschätzen. Es gibt den großen Deutschen Behindertensportverband, der sehr fortschrittlich ist und seinen Mitgliedern ein breites Spektrum anbietet. Außerdem gibt es den Gehörlosensportverband und die Special Olympics, wo Menschen mit geistiger Behinderung ihren Sport betreiben. Diese Verbände kümmern sich nicht nur um Spitzensport.

Bei den normalen Sportvereinen gibt es ganz viele, die sich mit dem Thema Inklusion befassen, aber auch ganz viele, wo Sport für Menschen mit Behinderung nicht stattfindet.

KNA: Sie haben den Spitzensport angesprochen. Wie steht es um Inklusion im Spitzensport? Was sind Ziele für mehr Inklusion?

Beha: Die Reform der Spitzensportförderung vor einigen Jahren war ein großer Schritt nach vorne, was die Gleichbehandlung von olympischen und paralympischen Sportlern angeht. Die Paralympics-Sportler gehören genauso zum "Team Deutschland" und erhalten die gleichen Prämien wie die nichtbehinderten Sportler und Sportlerinnen. Das war in den früheren Jahren nicht so.

Elsbeth Beha

"Bei den normalen Sportvereinen gibt es ganz viele, die sich mit dem Thema Inklusion befassen, aber auch ganz viele, wo Sport für Menschen mit Behinderung nicht stattfindet."

Wünschenswert wäre es aus meiner Sicht, wenn die beiden Veranstaltungen gleichzeitig stattfinden könnten. Dann würden die Paralympics eine wesentlich größere Aufmerksamkeit erfahren, vor allen Dingen medial. Wir sind da zwar mittlerweile schon einen großen Schritt vorangekommen, aber die Berichterstattung und Fernsehübertragung der Paralympics ist noch lange nicht auf demselben Niveau wie bei den Olympischen Spielen. Der Inklusionsgedanke würde bei gemeinsamen Spielen natürlich auch wesentlich mehr transportiert. Also insofern: Man hat schon viel getan, aber es ist noch Luft nach oben.

KNA: Wie schauen Sie auf die Winterspiele in Peking?

Beha: Ich würde mir natürlich wünschen, dass die Paralympics auch in die chinesische Gesellschaft wirken, beispielsweise dass dadurch der Blick auf Inklusion und Menschen mit Behinderung geschärft wird. Ansonsten glaube ich nicht, dass es von chinesischer Seite Unterschiede zwischen den Olympischen und den Paralympischen Spielen gibt: Corona und die chinesischen Vorgaben werden wohl alle gleichermaßen treffen. Persönlich denke ich manchmal: Corona kommt China gerade gelegen, dann können sie die ausländischen Gäste unter dem Mäntelchen des Coronavirus von der Gesellschaft fernhalten.

Das ist ja noch mal ein ganz anderes Thema: Ich glaube, alle würden sich etwas ganz anderes wünschen, wenn es um die Vergabe von solchen großen Sportveranstaltungen geht: Man muss einfach viel mehr auf die ethisch-moralischen Grundsätze schauen.

Quelle:
KNA