Digitale Seelsorge bei den Paralympics

"Offenes Ohr für Gespräche über Gott und die Welt"

Tägliche Impulse und Angebote zu Gesprächen: Bei den gerade gestarteten Paralympics in Tokio bieten die evangelische und katholische Kirche Seelsorge an. Wie das digital funktioniert, erklärt die Olympiaseelsorgerin Elisabeth Keilmann.

Die Paralympics haben mit einem Jahr Verspätung begonnen / © Marcus Brandt (dpa)
Die Paralympics haben mit einem Jahr Verspätung begonnen / © Marcus Brandt ( dpa )

DOMRADIO.DE: Schon während der Sommerspiele in Tokio konnten Sie wegen Corona nicht vor Ort in Japan sein. Auch jetzt gibt's die Betreuung quasi digital. Was können Sie den Para-Sportlerinnen und Sportlern anbieten?

Elisabeth Keilmann (Sport- und Olympiaseelsorgerin der Deutschen Bischofskonferenz): Wir haben ähnlich wie bei den Sportlerinnen und Sportlern bei den Olympischen Spielen einen Türanhänger vorbereitet mit unseren Kontaktdaten. Aber darüber hinaus sind unsere Kontaktdaten auch mit entsprechenden Hinweisen auf persönliche Gespräche und eine seelsorgerische Betreuung im Leitfaden in dem Teamguide für die Athleten mit aufgenommen.

Wir werden wieder sonntags einen Online-Gottesdienst anbieten. Und was jetzt noch dazugekommen ist: Mein evangelischer Kollege und ich haben für jeden Tag Texte zur Verfügung gestellt - Segensworte oder Worte aus der Bibel oder ein persönliches Wort.

Wir freuen uns sehr, dass wir die Möglichkeit haben, dass diese über die Team-App der paralympischen Familie zur Verfügung gestellt werden. Und da wir ja nicht vor Ort sind, wird es auch wieder so sein, dass der katholische Pfarrer und das evangelische Pfarrer-Ehepaar vor Ort für einen Notfall zur Verfügung stehen.

DOMRADIO.DE: Was haben Sie den Athleten vorab mit auf den Weg gegeben? 

Keilmann: Wir haben am Olympiastützpunkt in Wattenscheid ein Video-Grußwort an das Team D Paralympics gerichtet. Sowohl wir als auch die Seelsorgerinnen und Seelsorger vor Ort haben sich darin kurz vorgestellt und gute Wünsche übermittelt.

DOMRADIO.DE: Die Paralympics sind ja für die Sportlerinnen und Sportler die Höhepunkte des Athletenlebens. Daraufhin wird trainiert, die Konzentration gelegt. Damit steigt dann aber auch der Druck, eine perfekte Leistung abzuliefern. Gibt's irgendwie eine Formel, wie man diesen Druck umgeht oder besser noch wie man ihn positiv nutzen kann?

Keilmann: Ja, die internationale Konkurrenz ist groß und die Sportlerinnen und Sportler haben jahrelang darauf trainiert und möchten natürlich jetzt auch gewinnen und ihr Bestes geben. Ich weiß nicht, ob es da eine Formel gibt, aber ich glaube, es spielen verschiedene Faktoren eine wichtige Rolle.

Es geht ja auch nicht nur darum, sportlich gut vorbereitet zu sein, um die Leistung abzurufen, sondern auch mental. Es braucht eine innere Kraft und Stärke. Und ich glaube auch den Glauben an sich selbst: 'Ich kann das schaffen. Ich gebe mein Bestes'.

DOMRADIO.DE: Wie groß ist der Unterschied bei Ihrer Arbeit zwischen den Olympischen Spielen und den Paralympics? Gibt's da überhaupt einen?

Keilmann: Da gibt's keinen Unterschied, weder in der Vorbereitung noch in der Umsetzung der Paralympics. Und an dieser Stelle möchte ich auch nochmal auf die gute Zusammenarbeit mit meinen evangelischen Kollegen hinweisen, aber auch mit dem DOSB und dem Deutschen Behindertensportverband.

DOMRADIO.DE: Sie müssen ein offenes Ohr haben für Gespräche über Gott und die Welt sozusagen. Und das hört ja nicht bei den Sportlerinnen und Sportlern auf. Da ist ja noch mehr. Also da ist Familie, da sind die Trainer, Betreuer. Was ist Ihr Rezept da, den richtigen und angemessenen Umgang zu finden?

Keilmann: Es kommt immer auf die individuelle Situation an. Für mich ist es wichtig, den ganzen Menschen in den Blick zu nehmen. Der Mensch steht im Mittelpunkt und dass ich da viel Zeit zum Hören mitbringe, dass ich für den Menschen da bin, dass ich das Interesse an seinem Sport schätze, aber vor allen Dingen an seiner Person, wenn es um Lebens- und Glaubensfragen geht. Die Palette ist da sehr groß. Und dass ich Mut zuspreche, tröste oder auch Freude teile. Das ist für mich wichtig.

DOMRADIO.DE: Welche Bedeutung haben die Spiele für andere Sportler mit Handicap, die vielleicht nicht so wettkampfmäßig unterwegs sind oder eben auch generell für Menschen mit Behinderung?

Keilmann: Ich denke, der paralympische Sport hat in der letzten Zeit an Bedeutung gewonnen. Und über den Sport hinaus glaube ich schon, dass die Paralympics auch eine Vorbildfunktion haben können. Sportlerinnen und Sportler zeigen, was in ihnen steckt, was möglich ist und das geht über den Sport hinaus.

Die Paralympics haben für mich auch so eine Symbolkraft von Optimismus und zeigen vielleicht auch eine Chance der Gleichstellung in allen Bereichen und auf Augenhöhe. Weiterhin müssen natürlich Barrieren in Köpfen und Strukturen abgebaut werden und Menschen mit unterschiedlichen Lebensbedingungen zusammengebracht werden, weil: Jeder Mensch ist wertvoll!

DOMRADIO.DE: Gleichwertige Lebensverhältnisse für behinderte und nicht behinderte Menschen zu schaffen, das ist ein Ziel, das ja noch lange nicht erreicht ist. Und jetzt bei den Paralympischen Spielen zeigen die Sportler eben, was ein Mensch leisten kann, egal ob mit oder ohne Behinderung. Ist das vielleicht eine Chance auch für das gleichberechtigte Leben abseits des Sports?

Keilmann: Absolut. Sport ist natürlich ein wichtiger Teil unserer Gesellschaft. Und indem es neben den Erfolgen und Anerkennung und persönlichen Motiven auch um Potenziale zur Inklusion von Menschen mit Behinderung geht,  bietet das eine große Möglichkeit für die Gesellschaft, die gleichberechtigten Chancen in allen Lebensbereichen, sei es in der Bildung, Arbeit und Freizeit, Sport natürlich, die Akzeptanz unserer Unterschiede und aber auch die Stärken zu nutzen.

Jeder Mensch ist besonders und einzigartig mit all seinen Stärken und Schwächen. Und ich frage mich: Wer ist normal, was ist normal in diesem Zusammenhang? Ich glaube, es bedarf einer Wahrnehmung und großen Wertschätzung eines jeden Menschen und es müssen Vorurteile und Ausgrenzung weiterhin abgebaut werden. Für mich ist da wichtig: Toleranz, Ehrlichkeit, Offenheit und der gegenseitige Respekt.

Das Interview führte Carsten Döpp.


Elisabeth Keilmann / © Julia Steinbrecht (KNA)
Elisabeth Keilmann / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
DR