domradio.de: Kambodscha ist ja nur eine Region von vielen, wo Textilien hergestellt werden. Aber überall verdienen die Mitarbeiter viel zu wenig Geld. Unter welchen Bedingungen müssen die Arbeiter/-innen die Textilien oft herstellen?
Gisela Burckhardt: Zum großen Teil, zu ca. 80%, sind die Betroffenen Frauen, und die Bedingungen sind leider Gottes – das ist ja inzwischen sehr bekannt – auch wirklich schrecklich. Gerade in Kambodscha ist es auch noch sehr heiß, das Schlimmste ist aber die unglaublich schlechte Bezahlung, was dazu führt, dass die Frauen einfach nicht genügend Nahrungsmittel kaufen und zu sich nehmen können. Gerade in Kambodscha haben wir dieses Phänomen, dass massenweise Frauen ohnmächtig werden, weil sie einfach zu wenig essen, sie sind unterernährt. Eine Studie besagt, dass 33% der Näherinnen einfach unterernährt sind!
domradio.de: Das erinnert ja ein wenig an die Zustände bei uns während bzw. nach der Industriellen Revolution. Ist es möglich, dass die Gewerkschaften vor Ort selbst eine faire Bezahlung durchsetzen können?
Burckhardt: Von selbst nicht – wir sehen ja, die Frauen, die Näherinnen, aber auch die männlichen Arbeiter gehen jetzt alle auf die Straße und das schon seit Wochen und Monaten sowohl in Kambodscha als auch in Bangladesch; sie kämpfen ja für einen höheren Lohn, und daran geht auch kein Weg vorbei. Es ist unglaublich, wenn Sie sehen, dass die Preise für Textilien bei uns sogar fallen. Und wir könnten ja weiß Gott etwas mehr bezahlen, dafür könnten dann die Menschen in diesen Ländern eben wirklich einen würdigen Lohn bekommen. Die Gewerkschaften vor Ort setzen sich dafür ein, wenn es auch sehr, sehr schwierig ist, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Das ist immer auch gefährlich, es gab jetzt bei den Unruhen in Kambodscha ja auch wieder Tote. Die Anführer werden festgenommen, sie sitzen jetzt alle hinter Gittern. Deswegen ist der Kampf für bessere Löhne unglaublich hart für die Menschen dort, und wir müssten einfach mehr bezahlen, damit diese Menschen besser leben können.
domradio.de: Sie und Ihre Trägerorganisationen setzen sich in der Kampagne für saubere Kleidung und für ethisch verantwortlich produzierte Textilien ein. Welcher Standard muss denn erfüllt sein, damit ein Kleidungsstück aus Ihrer Sicht ethisch sauber produziert wird?
Burckhardt: Es gibt bestimmte Labels, auf die man achten muss. Es ist ja gar nicht so schwierig. Leider Gottes erfinden Unternehmen aber immer wieder neue Labels, um damit vielfach Verwirrung zu schaffen, aber die Verbraucher brauchen sich eigentlich nur an wenigen Labels orientieren. Das ist zum einen z.B. das „FairTrade“-Label, das garantiert, dass zumindest die Baumwolle unter fairen Bedingungen geerntet worden ist. Und wenn man dann auf das GOTS-Siegel achtet, den Global Organic Textile Standard achtet, dann weiß man, dass die Ware ökologisch hergestellt worden ist und bestimmte Mindeststandards eingehalten wurden. Das sind die beiden allerwichtigsten Labels. Zudem sollte man noch auf das Siegel der Fair Wear Foundation achtet – dort sind die Unternehmen versammelt, die sich bemühen auch in der Konfektion bessere Arbeitsbedingungen zu realisieren. Das sind die wichtigsten Dinge, auf die man beim Einkauf achten muss.
domradio.de: Gibt es denn auch Positivbeispiele von bekannten Bekleidungsherstellern, die man hier erwähnen könnte?
Burckhardt: Ja, inzwischen gibt es ja schon sehr viele, vor einigen Jahren war das noch nicht so, aber dieser Sektor boomt ja jetzt regelrecht. Wir haben in Berlin ja immer die Fashion Shows, da gibt es auch die Ethical Fashion Show. Da sind jetzt schon wieder für Januar über 100 Marken angemeldet, die ökologisch und fair produzieren. Wir finden das auch hier in NRW, man kann also inzwischen verschiedene Läden finden, die ökologische Marken führen. In Bonn gibt es sogar einen ökologischen Führer, einen öko-fairen Einkaufsführer, in dem man nachsehen kann, in welchen Geschäften man öko-faire Ware findet.