DOMRADIO.DE: In der Synagoge in der Kölner Roonstraße wurde an die Reichspogromnacht vor 85 Jahren gedacht. Was bedeutet der 9. November für Sie?
Weihbischof Rolf Steinhäuser (Kölner Weihbischof und Bischofsvikar für die Ökumene und den interreligiösen Dialog): Das ist auf den verschiedensten Ebenen ein ganz wichtiger Tag in Deutschland. Es bedeutet 85 Jahre Erinnerung an die Reichspogromnacht, aber es ist auch der Tag genau 100 Jahre nach dem Hitler-Putschversuch in München am Ende des Ersten Weltkriegs. Es ist zudem das Datum der Wende.
Es ist ein Tag, der mit der Geschichte unseres Volkes auf das Engste verflochten ist. Da kommt eine ganze Fülle von Gedanken und Erinnerungen auf. Mir war es wichtig, an diesem Abend gerade in der Synagoge zu sein.
DOMRADIO.DE: Was möchten Sie damit zum Ausdruck bringen?
Steinhäuser: Dass sich das nie wiederholen darf und dass ich mich selber sehr klar an der Seite der jüdischen Gemeinde und an der Seite Israels positionieren will.
DOMRADIO.DE: Es ist das Gedenken an die Reichspogromnacht 1938. 85 Jahre später gibt es weltweit wieder Judenpogrome, wie etwa in Dagestan und an US-amerikanischen Universitäten. Auch hier in Deutschland werden Haustüren mit Davidsternen beschmiert. Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie so etwas hören und sehen?
Steinhäuser: Das finde ich ganz schrecklich. Nicht jeder arabische Jugendliche, der von zu Hause aus immer gegen Israel erzogen wurde, wird das mit vollem Bewusstsein tun. Aber wer sich in unserem Land mit unserer Geschichte nicht anders positioniert, das klingt ein bisschen platt, der hat nichts verstanden und der steht auf der falschen Seite.
DOMRADIO.DE: Michael Rado von der Synagogen-Gemeinde hat in seiner Ansprache auch daran erinnert, dass die Kirchen damals dazu geschwiegen haben, als hier 1938 ein Gotteshaus brannte. Wie blicken Sie als Vertreter der katholischen Kirche da heute drauf?
Steinhäuser: Mit Scham. Ich weiß natürlich auch, dass das keine einfache Sache gewesen wäre und dass das auch mit Auseinandersetzungen, mit Benachteiligungen geschehen ist. Es hätte aber nicht sein dürfen. Das ist ein Verhalten, zu dem niemand heute guten Gewissens stehen kann. Da stehen wir mit Trauer und Scham vor.
DOMRADIO.DE: Was ist Ihre Botschaft an Ihre jüdischen Brüder und Schwestern im Jahr 2023?
Steinhäuser: Ihr gehört hierhin. Wir sind froh, dass ihr mit uns hier in Köln und in Deutschland lebt. Es ist wunderbar, dass es hier wieder jüdisches Leben nach der Shoa gibt.
Das Interview führte Ina Rottscheidt.