Am Montag vergangener Woche verschickte das vatikanische Presseamt am frühen Abend den Brief eines Untersekretärs aus der Heiligsprechungskongregation. "Mit Bezug auf eine am gestrigen Abend ausgestrahlte Sendung eines italienischen TV-Senders", hieß es im Anschreiben. Der Sender war immerhin die staatliche Rai 3, der Brief de facto eine Gegendarstellung.
Darin wendet sich besagter Untersekretär, der polnische Ordensmann Boguslaw Turek, gegen die Behauptung, er habe Schmiergeld verlangt, um die Seligsprechung des am 9. Mai 1978 ermordeten früheren italienischen Ministerpräsidenten Aldo Moro voranzutreiben. (Als Spoiler vorab: Es gibt kein Seligsprechungsverfahren für Moro.)
Becciu ist aktuell immer gut für Einschalt- und Klickzahlen
Anlass war eine 75-minütige Ausgabe des TV-Magazins "Report" am 12. April. Die Sendung widmete sich vor allem dem Finanzskandal im Staatssekretariat, schaffte es dabei sogar, einige bisher medienscheue Protagonisten vor die Kamera - oder doch ans Telefon zu bekommen. Begonnen hatten Autor Giorgio Mottola und Moderator Sigfredo Ranucci mit der vermeintlichen Schmiergeldforderung Tureks an den angeblichen Postulator der Causa Moro, Nicola Giampaolo, was dieser nie war.
Ein Zusammenhang mit dem nachfolgend behandelten Finanzskandal blieb offen. Die Macher der Sendung behaupteten nicht einmal, die angeblichen Schmiergelder sollten der Kurie in ihrer Finanzmisere helfen. Bindeglied war einzig der Name des früheren Präfekten der Heiligsprechungskongregation: Angelo Becciu. Mithin ein bloßer Stichwortanschluss - aber Becciu ist aktuell immer gut für Einschalt- und Klickzahlen.
Ganz so rasch gaben sich die "Report"-Macher nicht geschlagen. Man habe nur Fakten berichtet und sei bereit, die Kongregation in die Sendung einzuladen, konterte Ranucci tags drauf. Das war es dann. Wenige Tage später rollte die Zeitung "Il Messaggero" die Nicht-Causa "seliger Aldo Moro" noch einmal groß auf. Seither ist Ruhe.
Bezeichnend ist die Episode dennoch: Zum einen spielen Selig- und Heiligsprechungen gerade in ihrer politischen Dimension in Italien nach wie vor eine Rolle. Besonders deutlich wird die politische Bedeutung etwa bei der für den 9. Mai geplanten Seligsprechung des sizilianischen Anti-Mafia-Juristen Rosario Livatino (1952-1990).
Ermordeter christdemokratischer Politiker
Ein zweiter Grund ist die Person Aldo Moros. Der von den Linksterroristen der "Brigate rosse" ermordete christdemokratische Politiker gilt als "einer von den Guten" der untergegangenen "Democrazia cristiana", weniger ambivalent als etwa Giulio Andreotti.
Zudem ranken sich um den nie vollständig aufgeklärten Fall Moros bis heute Spekulationen. Auch könnte mit seiner Person ein Teil des christdemokratischen Erbes gerettet werden, ließen sich neue politische Initiativen zwischen linker PD und rechter Lega begleiten.
Drittens schließlich kann sich das Thema Korruption beziehungsweise Transparenz im Vatikan wieder einmal großer Aufmerksamkeit sicher sein. Kämen jetzt noch Schmiergelder an die "Heiligen-Fabrik" - wie das Dikasterium unter Johannes Paul II. genannt wurde - hinzu, hätte dies ein besonderes G'schmäckle.
Selig- und Heiligsprechungsverfahren sind teuer
Dass Selig- und Heiligsprechungsverfahren Geld kosten, ist unbestritten. Zeugenvernehmungen samt Reisekosten, Honorare für Sachverständige, Druckkosten, Übersetzerspesen, Besoldung von Postulatoren und Relatoren sowie schließlich die Feierlichkeiten - da kommt etwas zusammen. Allerdings wurde dies bisher nicht detailliert zusammengetragen und veröffentlicht, was schon der frühere Wirtschaftssekretär Kardinal George Pell monierte.
Aber wie gesagt: 2012 begonnene Bestrebungen, Aldo Moro seligzusprechen, liegen auf Eis. Eine Audienz von Papst Franziskus für Moros Tochter Maria Fida Moro änderte daran nichts. Noch nicht einmal auf Ebene des Bistums Rom ist ein Verfahren eröffnet worden, geschweige denn an den Vatikan weitergeleitet. Die Gründe: Viel zu umfangreiche Aktenlage sowie anfänglicher Streit um die sogenannten Promotoren, von denen Giampaolo einer sein sollte - es aber nicht wurde.