Wiener Theologe blickt auf Kirchenkrise und Synodalen Weg

"Deutsche Neuerfindung des Katholizismus"

Die Kirchenkrise ist laut des Wiener Theologen Ulrich Körtner nicht nur eine Glaubwürdigkeitskrise, sondern auch eine Glaubenskrise. Mit Blick auf den Synodalen Weg spricht er von einer "deutschen Neuerfindung des Katholizismus".

Eine Frau hält einen Rosenkranz / © Harald Oppitz (KNA)
Eine Frau hält einen Rosenkranz / © Harald Oppitz ( KNA )

"Die gegenwärtige Sozialform der katholischen Kirche spielt für Austrittswillige nicht die Hauptrolle, wie eine neuere Studie zeigt", heißt es in einem Gastbeitrag des Ordinarius für Systematische Theologie an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien für die österreichische Wochenzeitung "Die Furche" (Donnerstag).

"Protestanten verlassen ihre Kirche trotz demokratischer Strukturen. Vielen Menschen sind Kirche und Religion einfach gleichgültig."

Synodaler Weg

Der Begriff "Synodaler Weg" verweist auf das griechische Wort Synode. Es bedeutet wörtlich "Weggemeinschaft"; im kirchlichen Sprachgebrauch bezeichnet Synode eine Versammlung von Bischöfen oder von Geistlichen und Laien.

Der Reformdialog Synodaler Weg dauerte von Ende 2019 bis Frühjahr 2023. Dabei berieten die deutschen katholischen Bischöfe und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) zusammen mit weiteren Delegierten über die Zukunft kirchlichen Lebens in Deutschland.

Das gelochte Metallkreuz und Teile des Schriftzugs Synodaler Weg  / © Julia Steinbrecht (KNA)
Das gelochte Metallkreuz und Teile des Schriftzugs Synodaler Weg / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Aus protestantischer Sicht halte er die Einschätzung, der katholische Reformprozess Synodale Weg könnte "im Ergebnis zu einer Protestantisierung der römisch-katholischen Kirche oder gar zu einer zweiten evangelischen Kirche führen", für zu vordergründig, fügte Körtner hinzu. "Es geht im Kern nicht um eine zweite Reformation, sondern um eine katholische Reform."

"Deutsche Neuerfindung des Katholizismus"

Konsequent zu Ende gedacht, könnte der Synodale Weg allerdings darauf hinauslaufen, dass neben der Altkatholischen Kirche und der römischen eine weitere katholische Kirche entsteht - "gewissermaßen eine deutsche Neuerfindung des Katholizismus".

Es sei bemerkenswert, dass die im 19. Jahrhundert entstandene Altkatholische Kirche als Alternative zur römischen in der Kontroverse um den Synodalen Weg ignoriert werde, auch von Papst Franziskus, erklärte der Ökumene-Experte. Dabei seien die zentralen Reformforderungen der Verfechter des Synodalen Weges in der Altkatholischen Kirche längst verwirklicht.

Andreas Sturm (Bistum Speyer)

So sehe es auch der frühere Generalvikar des katholischen Bistums Speyer, Andreas Sturm, der im Mai von seinem Amt zurückgetreten und zur Altkatholischen Kirche konvertiert ist. Die Altkatholische Kirche lehnt den Papst als oberste Autorität ab und ermöglicht Frauen die Priesterweihe.

Gegenläufige Tendenzen in evangelischer Kirche

Körtner: "Wer vordergründig eine Protestantisierung der römischen Kirche heraufziehen sieht oder vor dieser meint warnen zu müssen, sollte die gegenläufigen Tendenzen einer Katholisierung der evangelischen Kirchen nicht übersehen."

Luthers Sündenlehre sei längst "in sozialpolitischen Aktionismus, in das Streben nach mehr Gerechtigkeit im Diesseits, umgeschlagen", zitiert Körtner den Historiker Volker Reinhardt. Auch lasse sich laut Körtner mancherorts eine "Klerikalisierung der evangelischen Kirche" beobachten, vom Outfit bis zum öffentlichen Rollenverständnis des Führungspersonals.

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) hatte den Synodalen Weg zusammen mit der katholischen Deutschen Bischofskonferenz 2019 ins Leben gerufen. Die fünfte und abschließende Synodalversammlung ist für 2023 geplant. Der Reformdialog beschäftigt sich mit den Themen Macht und Gewaltenteilung in der Kirche, Leben in gelingenden Beziehungen, Priesterliche Existenz heute und Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche.

Alt-katholische Kirchen

Die alt-katholischen Kirchen entstanden Ende des 19. Jahrhunderts durch Abspaltungen von der römisch-katholischen Kirche. Dieser Schritt geschah aus Protest gegen wesentliche Beschlüsse des Ersten Vatikanischen Konzils (1869/70). Dort wurde verbindlich die päpstliche Unfehlbarkeit in Fragen von Glauben und Sitte verkündet. Zudem schrieb das Konzil die oberste Leitungsgewalt des Papstes in der Kirche fest. Die Alt-katholiken wollten sich von dem neuen Dogma absetzen, das sie als Bruch mit alten Glaubensüberlieferungen sahen.

Ein altkatholischer Priester / © Harald Oppitz (KNA)
Ein altkatholischer Priester / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
epd