DOMRADIO.DE: Ging es um einen evangelischen oder katholischen Pfarrer? Wurde das deutlich?
Jan Hendrik Stens (Theologie-Redakteur, DOMRADIO.DE): Ja. Es hat aber sicher nicht die große Rolle gespielt, welcher Konfession dieser Pfarrer angehörte. Aber aus dem Kontext heraus konnte man schon sehr deutlich ablesen, dass es sich um einen katholischen Pfarrer gehandelt hat.
DOMRADIO.DE: Regelmäßig kommt Kirche im Tatort vor. Häufig ist es so, dass Kirche wenig positiv, sondern eher als düster und unheilvoll dargestellt wird. Wie ist das im aktuellen Franken-Tatort am Sonntag gewesen?
Stens: Dieses Mal kommt sie sehr neutral daher. Das hat auch schon für Enttäuschen gesorgt: In einer Rezension der "FAZ" heißt es, dass Fernsehkrimis Tote in der Sakristei ganz gern zum Anlass nähmen, um in Sachen Doppelmoral zu ermitteln – "missratenes Kirchenpersonal, Küster treiben ein bigottes Spiel, Glocken werden zu Mordinstrumenten, im Zweifel ist der Mörder immer der Pfarrer".
Aber das war hier überhaupt nicht der Fall. Im Gegenteil: Man hätte auch einen Freund, der ein Wirtshaus betreibt und einen Vortrag halten wollte, nehmen können. Dass es ein Priester war, der diese Geschichte im Rahmen einer Predigt enthüllen wollte, war gar nicht so wichtig für diesen Tatort. Es war einfach nur gegeben, spielte letztendlich für die Dramaturgie des Filmes aber keine große Rolle mehr.
DOMRADIO.DE: Der Pfarrer wollte in dieser angekündigten Predigt im Altarraum einen Laptop und einen Beamer einsetzen. Ist das so überhaupt denkbar?
Stens: Es gibt schon Predigten oder Gottesdienste, in denen auch solche Mittel zum Einsatz kommen. Ich habe schon in den 1990er Jahren mal eine Predigt mit einem Diaprojektor, also einem Vorgänger des Beamers, erlebt. Es ist nicht so abwegig, dass es einen solchen Einsatz gibt und eine Predigt mit Bildern unterstützt wird.
DOMRADIO.DE: In einem Tatort mit Kirchenbeteiligung wird gerne ein bisschen Basiswissen vermittelt, ob es nun um das klösterliche Leben geht, um vatikanische Wunderprüfungen oder um das Sakrament der Beichte. Aber wie realistisch ist das tatsächlich?
Stens: Es kommt immer darauf an. In diesem Tatort konnte man wenig falsch machen, wie man so schön sagt, weil auch nur wenig Kirchliches gezeigt worden ist. Die Kirche im Drehort sollte eigentlich irgendwo in der Oberpfalz sein, aber das Original steht in Großlellenfeld im Landkreis Ansbach in Mittelfranken. Das ist eine Kirche, die sehr hoch über dem Ort steht, eine große gotische Kirche mit einem seitlichen Turm. Die konnte ich gestern Abend identifizieren.
Der Pfarrer hatte seinen Freund, den Kommissar, in Soutane vor dem Kirchenportal begrüßt. Das ist auch ein kleines Klischee. Natürlich gibt es auch heute noch Priester, die zu bestimmten Anlässen Soutane tragen, aber es ist sehr selten geworden. Am normalen Sonntag ist das eigentlich nicht der Fall. Aber hier sollten vermutlich auch einfach Klischees bedient werden.
An einer anderen Stelle geht es um Tonis Grab auf der Nordseite des Friedhofs, wo angeblich diejenigen begraben würden, die sich selbst das Leben genommen haben. Das mag vielleicht in alten Traditionen früher so gewesen sein, dass diese Menschen auf den sonnenabgewandten Nordseiten der Friedhöfe, auf der Seite zu den Heiden hin, begraben wurden. Das ist aber heute so nicht mehr der Fall. Das ist hier ein Griff in die Trickkiste gewesen.
Häufig ist es in den Tatort-Filmen so, dass der Pfarrer meist in der Kirche zu wohnen scheint, dass er den ganzen Tag im Messgewand herumläuft und irgendwelche Gebetbücher sortiert oder Kerzen anzündet. Der sitzt eigentlich nie in normaler Zivilkleidung am Schreibtisch im Pfarrhaus, sondern hat immer irgend etwas Liturgisches an und läuft damit einen ganzen Tag durch die Kirche.
DOMRADIO.DE: Warum heißt der Tatort überhaupt "Hochamt für Toni"? Ein Hochamt ist ja ein besonders feierlicher Gottesdienst.
Stens: Das habe ich mich auch gefragt. Früher war das Hochamt die feierliche, gesungene Messe am Hochaltar. Die anderen Messen wurden meist an den Seitenaltären gefeiert. Wenn heute überhaupt noch bei den Sonntagsmessen unterschieden wird, dann ist das Hochamt ein feierlicher Gottesdienst.
Entweder war es hier in dem Film ein Bezug zu dieser Messe, die für diese Toni bestimmt war, in der also etwas enthüllt werden sollte. Aber was genau, weiß man ja nicht. Es ist ja nicht dazu gekommen.
Wir wussten nur, dass der Pfarrer einen USB-Stick hatte, auf dem das Video zu sehen war, um das es letztendlich ging und das zur Aufklärung des Falls beitrug. Wollte der Pfarrer damit die Wahrheit über Toni zeigen, was ja nicht unbedingt zu ihren Gunsten ausgefallen wäre? Dann wäre es eher eine Art Bußliturgie für Toni gewesen.
Denkbar wäre auch ein "Hochamt der Wahrheit", in dem die Wahrheit ans Licht kommt. In der säkularen Sprache werden ja auch ganz gerne diese sakralen Vokabeln wie "Hochamt" benutzt.
DOMRADIO.DE: Es ist für Kriminalhauptkommissar Felix Voss jedenfalls ein sehr persönlicher Fall. Wie fällt die Kritik denn aus?
Stens: Ich hatte ein bisschen mehr erwartet. Ich hätte gedacht, dass auch kirchlich was läuft, dass dieser Pfarrer vielleicht auch in diese Toni verliebt war und dann mit seiner Priesterberufung gehadert hatte.
Oder er hatte sogar eine Affäre mit ihr. Da hätte ich das Thema "Doppelmoral" erwartet. Das spielte aber überhaupt keine Rolle.
In Wirklichkeit ging es um einen Familienclan mit einem furchtbaren Patriarchen, einem Übervater, der seiner Tochter nichts zugetraut hat, weil sie halt nur eine Frau ist. Und die beiden Söhne haben nichts zustande gekriegt. Das ist die Ausgangssituation eines Familiendramas.
Wer sich einen Kirchen-Tatort erhofft hatte, der wurde enttäuscht. Es war auch am Ende für mich nicht so ganz klar, was denn in dieser Hütte überhaupt passiert ist. Da blieb manches im Dunkeln.
Das Interview führte Katharina Geiger.