DOMRADIO.DE: Der UN-Migrationspakt soll bei einer Konferenz am 10. und 11. Dezember im marokkanischen Marrakesch angenommen werden. Im Juli hatten sich die Vereinten Nationen auf die Endfassung des Dokuments geeinigt, mit dessen Hilfe illegale Einwanderung verhindert und legale Einwanderung besser gesteuert werden soll. Warum treten Sie für den UN-Migrationspakt ein?
Erzbischof Stefan Heße (Erzbischof von Hamburg und Flüchtlingsbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz): Ich trete dafür ein, weil ich es für wichtig halte, dass global nach Lösungen gesucht wird. Wir erkennen an der Diskussion, dass einzelne Staaten alleine keine Lösung finden. Aber wir brauchen eine verbindliche Lösung zwischen den Herkunftsländern, den Transitländern und den Zielländern. Der Pakt scheint mir eine Möglichkeit zu sein, dass die verschiedenen Länder viel stärker zusammenkommen als das bisher der Fall ist.
DOMRADIO.DE: Aber der Pakt hat gar keine Verbindlichkeit…
Heße: Das würde ich so nicht sagen. Wir sollten das nicht herunterspielen. Es ist eine Vereinbarung, die getroffen und unterzeichnet wird. Wir sehen ja auch welche Bedeutung es hat, wenn einzelne Länder klar erklären, dass sie nicht unterzeichnen werden. Deutschland will das aber im Dezember in Marrakesch tun. Ich hoffe, dass es dabei bleibt.
Wir sprechen hier zwar von sogenanntem "Soft law", "weichem" Recht, das nicht verbindlich ist. Aber es ist ein Pakt, der sich sozusagen auf der höchsten Ebene abspielt, die unter dem Gesetz zu finden ist. Deswegen würde ich nicht sagen, dass er nicht wichtig sei und keine Wirkung habe. Im Gegenteil. Er hat Wirkung und muss dann entfaltet, weitergeführt und austariert werden und zu weiteren konkreten Schritten zwischen den Ländern führen.
DOMRADIO.DE: Warum ist es auch aus einer christlichen Verantwortung wichtig, diesen Pakt zu unterstützen?
Heße: Für uns als Kirche ist doch klar, dass die Geflüchteten unsere Fürsorge brauchen. Es gehört zu den Geboten der Barmherzigkeit, sich um diese Menschen zu kümmern. Jeder, der mal mit ihnen zusammengekommen ist, weiß, in welcher Situation sie sich befinden. Es sind oft Menschen, die rechtlos sind, die ausgebeutet werden, die versklavt werden. Menschenhandel spielt auf diesen Fluchtwegen eine große Rolle bis hin zu den traurigen Bildern auf dem Mittelmeer, die wir alle kennen. Das soll eben kein Friedhof sein.
Da haben wir alle eine Verantwortung, die wir gemeinsam tragen müssen. Es geht letztlich um eine globale, um eine sichere und eine legale Migration.
DOMRADIO.DE: Was geben Sie den Politikern, die die Verantwortung tragen, für den Dezember mit auf den Weg?
Heße: Denen würde ich sagen, dass sie nüchtern an diesem Dokument dranbleiben müssen, dass sie auf jeden Fall unterschreiben und dass sie sich anschließend von dem Pakt in Pflicht nehmen lassen und umsetzen, was da avisiert worden ist.
Das Interview führte Johannes Schröer.