DOMRADIO.DE: In den vergangenen drei Jahren sind in Irland 20% der Priester verstorben. Grundsätzlich hat die Kirche keinen leichten Stand. Die Säkularisierung ist weiter fortgeschritten als in Deutschland, was auch mit dem Missbrauchsskandal zu tun hat. Wie geht die Kirche in Irland mit dieser Lage um?
Donal McKeown (Bischof von Derry): Wir leben im Moment in einer Umbruchszeit - das hat Papst Franziskus ja auch gesagt - in fast allen westlichen Ländern. Wir müssen schauen, wo wir uns befinden. Aber wie Paulus schon im Römerbrief schrieb: Die Wahrheit macht uns frei. Damit fangen wir an. Dann sagt uns die Bibel: Fürchtet euch nicht. Papst Franziskus sagt, jede Erneuerung der Kirche muss auf die Mission ausgerichtet sein, um nicht nur introvertiert auf uns selber zu blicken. Wir müssen verstehen, dass wir nicht mehr die Kirche früherer Zeiten sind, weder in Köln noch in Irland. Wir fangen da an, wo wir uns befinden. Davor habe ich keine Angst. Es wird nicht einfach sein, aber das ist egal. Wir müssen dort arbeiten und missionieren, wo der Herr uns hingeführt hat. Damit bin ich zufrieden. Probleme wird es geben, die gibt es aber auch in der Gesundheit, im Schulwesen, in der Politik. Es gibt überall Probleme, wir sind nicht die Einzigen, die das verkraften müssen. Für mich ist die Frage nicht: Wie können wir mehr Priester finden? Frauen oder Verheiratete zu Priestern weihen? Nicht das „wer“ ist die Grundfrage sondern: Wie können wir eine missionierende Kirche werden? Ich bin froh, dass wir diese Wahrheit nun endlich erkannt haben. Wir fangen an, wo wir sind. Den Rest überlassen wir dem Heiligen Geist.
DOMRADIO.DE: Was heißt das denn konkret für das Gemeindeleben in Irland? Gibt es überhaupt noch genug Priester für die Gottesdienste und die Seelsorge?
McKeown: Auch das ist nicht die eigentlich wichtige Frage. Wir haben in Irland viel zu viele Messen gefeiert. Wir haben uns als Dienstleistungsorganisation angeboten. Die Grundfrage ist eigentlich: Wie können wir neue Jünger für Christus gewinnen? Das hat auch mit der synodalen Frage zu tun. Wie können wir zusammen die nächsten Schritte erkennen? Wie können wir uns zusammen im Gebet vom Heiligen Geist führen lassen?
Damit wäre ich zufrieden. Ich bin der dienstälteste Bischof in Irland. Ich freue mich, dass wir jetzt junge Leute fragen können: Wie wollt ihr die Kirche erneuern? Das Ergebnis werde ich nicht mehr erleben, aber das ist mir egal. Wir müssen alles neu denken, damit wir, wie der Papst geschrieben hat, mehr der Evangelisierung und weniger der Selbsterhaltung dienen.
Natürlich wird das zu Problemen führen. Wir werden nicht genug Personalkraft haben, aber wir tun das, was wir können und der Herr gibt das Wachstum.
DOMRADIO.DE: Wie gehen Sie das in Irland an? Im Moment ist ja auch ein synodaler Prozess auf nationaler Ebene geplant.
McKeown: Wir stehen in der Tat vor großen Problemen, großen Herausforderungen, die es für die Kirche schon immer gab. Wir setzen uns zusammen, beten gemeinsam, und hoffen auf den Heiligen Geist. Wir müssen gemeinsam die Wahrheit erkennen und bekennen. Hier sind wir schwach und brauchen die Stärke Gottes an unserer Seite. Paulus schreibt im Korintherbrief: Die Torheit Gottes ist weiser als die Menschen, die Schwäche Gottes ist stärker als die Menschen. Wir müssen nicht die letzten Schritte des Weges jetzt schon erkennen. Wir fangen an mit den Schritten, die wir gehen können.
Wir sind Frühlingsmenschen, wir säen, und irgendwann in der Zukunft kommt die Ernte. Was ich heute tun kann, ist versuchen junge Leute zu begeistern. Die werden die Kirche erneuern. Es braucht neue Rebellen, junge Idealisten, die in Jesus verliebt sind.
DOMRADIO.DE: Sie sind der dienstälteste Bischof in Irland. Wie haben Sie denn die Entwicklung der letzten Jahrzehnte, den Bedeutungsverlust der Kirche, erlebt?
McKeown: Unsere Diözese Derry liegt zum Teil in Nordirland und zum Teil in der Republik Irland. Ich war die ganze Zeit hier im Norden. 36 Jahre in Belfast, nun fast acht Jahre in Derry. Im Norden waren die Katholiken immer eine Minderheit. Wir hatten nie den Zugang zur Macht, den es für die Kirche in der Republik gab. Das Verhältnis zwischen den Geistlichen und den Gläubigen war deshalb bei uns immer noch ziemlich stark. Während der Unruhen haben die Priester auch immer mitten im Volk gelebt. Klar hatten sie ihre Schwächen und Fehler, trotzdem sind sie immer dem Volk treu geblieben. In dem Sinn haben wir es in Nordirland einfacher.
Was uns hier im Norden auszeichnet, gerade in Derry, ist, dass wir gute Beziehungen zu den anderen christlichen Kirchen pflegen, den Anglikanern, den Presbyterianern. Wir haben uns gefragt: Wie können wir zusammen der Gesellschaft dienen? Wie können wir eine aktive Stimme in der Welt werden? Wie können wir der Gesellschaft dienen, und nicht nur uns selber? Da haben wir gute Fortschritte gemacht. Bei uns im Norden spielt die Kirche eine wichtige Rolle in der Gesellschaft. Nicht weil wir stark sind, sondern weil wir eine prophetische Stimme sind. Wir haben also eine Stärke in der Schwäche gefunden.
DOMRADIO.DE: Was sicher auch ein Wegweiser für die Zukunft ist.
McKeown: Das hoffe ich. Unsere Stärke liegt in der Schrift, im Wort Gottes. Wir setzen alles daran, um in einer oft hoffnungslosen Gesellschaft wieder Hoffnung zu schaffen. Wir tun was wir können, den Rest überlassen wir dem lieben Gott.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.