Warum der Kirchentagspräsident der AfD kein Podium bietet

"Wir laden Menschen ein, die etwas zu sagen haben"

Die Veranstalter des evangelischen Kirchentags haben sich gegen AfD-Politiker auf Podien entschieden. Voll hinter dieser Entscheidung steht Kirchentagspräsident Hans Leyendecker. Er sagt, die AfD habe auf der Bühne nichts verloren.

Leyendecker: "Wir laden Menschen ein, die etwas zu sagen haben" (shutterstock)
Leyendecker: "Wir laden Menschen ein, die etwas zu sagen haben" / ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Zum Kirchentag 2017 in Berlin und auch beim Katholikentag 2018 in Münster waren Vertreter der AfD eingeladen. Zum Kirchentag in Dortmund in diesem Jahr nicht. Sie lehnen es ab, mit der AfD zu reden, jetzt ist es das große Thema. Ist das nicht kontraproduktiv?

Hans Leyendecker (Präsident des diesjährigen Kirchentages 2019): Ist das die Gretchenfrage dieser Kirche oder ist es nicht eher die Gretchenfrage von Journalisten, die sagen, wenn mir gar nichts mehr einfällt, rede ich nochmal von der AfD? Ist es das Thema, dass Christinnen und Christen und die Kirche bewegt? Ist nicht viel mehr Thema, wie bekennen wir uns zu unserem Vater Jesus Christus? Wie können wir offener auftreten - dass wir nicht kleinlaut sind, wenn wir unseren Glauben bekennen? Das ist unser Thema und da ist die AfD gewissermaßen eine Minderheit, eine Sekte, die sich immer wichtig macht.

Neulich gab es ein AfD-Papier. Da ging es darum, dass die Kirche angeblich mit den Mächtigen ist. Man kriegt ein wenig Zorn, wenn man von Klimarettung als Religionsersatz liest. Und da wird darüber gesprochen, das es völlig unklar sei, ob der Klimawandel menschengemacht sei und so weiter. Und das angesichts der Situation, die wir haben! Wir hatten doch einen Auftrag des Schöpfers, der uns diese Erde gegeben und sie uns anvertraut hat - und wir haben das nicht ernst genug genommen. Jetzt kommen die jungen Leute, nehmen uns an die Hand und sagen: "Wacht auf, macht was! Wir machen jedenfalls was." Und da soll ich mit der AfD über den Aspekt des Kllimawandels streiten?

Wir reden auf dem Kirchentag in Halle 3 über Fragen wie "Wie wohnen wir? Wie leben wir? Was muten wir anderen zu?" Da geht es auch ums Klima. Soll ich da einen von der AfD holen und reinsetzen und sagen: Jetzt erklären Sie mir mal bitte, warum der Klimawandel Hysterie und nicht menschengemacht ist? Ich sehe da überhaupt keine Grundlage, um mit AfD-Politikern zu reden.

DOMRADIO.DE: Landesbischof Markus Dröge hat gesagt: "Rechtspopulismus ist ein großes Thema für uns". Man muss sich bloß die aktuellen Umfragen und Wahlergebnisse anschauen. Kann ein Evangelischer Kirchentag das ignorieren?

Leyendecker: Wir ignorieren nicht. Wir sprechen über Rechtspopulismus. Wir haben ein großes Forum, wo darüber gesprochen wird. Da ist, wie ich finde, der klügste Kopf der Konservativen, Andreas Rödder, dabei. Da ist Markus Söder, da ist Winfried Kretschmann dabei. Die reden über Maß und Mitte und darüber, was sich da im extremen Rechtspopulismus tut. Das machen wir. Wir haben auch noch viele andere Foren. Wir haben sogar einen Workshop, zu dem wir ausdrücklich AfD-Wähler und Sympathisanten einladen, um zu sagen, warum sie meinen, dass die AfD für sie ein Segen oder eine Rettung sei. Das einzige, was wir nicht machen, ist, einen offiziellen Repräsentant der AfD auf ein Podium zu laden. Und das ist ein Signal.

DOMRADIO.DE: Das ist ein Signal, das positiv wie negativ gesehen wird. Wir haben mit Johann Heinrich Claussen gesprochen, dem Kulturbeauftragten der EKD. Der sagt, ihn stört, dass die AfD grundsätzlich ausgeladen wird. Dies verschaffe ihr die Gelegenheit, in die Opferrolle zu schlüpfen. Das hört man ganz oft als Argument. Spielen Sie der AfD nicht in die Hände, wenn Sie diese zum Kirchentag ausladen?

Leyendecker: Ist dieses Argument richtig? Ist die AfD Opfer oder Märtyrer? Das ist doch ein Schauspiel. Wir fallen doch auch auf die Dramaturgie der AfD rein, wenn wir sagen: Die sind so wichtig, dass wir alles, was wir machen, unter dem Gesichtspunkt beachten müssen, ob die AfD drin ist. Wichtig ist, dass wir ein Zeichen gegen Rassismus und Hetzer setzen und uns nicht selbst sozusagen einlullen lassen. Das sind doch alles Inszenierungen.

Wenn aber Herr Claussen - der ein kluger, ehrenwerter Mann ist - sagt, man müsse von Fall zu Fall entscheiden: Wo kommen wir denn da hin? Soll ich schauen, ob irgendjemand in der AfD ist, der möglicherweise nicht rassistische Hetze unterstützt? Wir laden als Kirchentag generell keine Repräsentanten ein, niemanden von der CDU von der SPD. Wir laden Menschen ein, die etwas zu sagen haben -  und Herr Gauland, Frau Weidel und wie sie alle heißen, haben mir nichts zu sagen.

DOMRADIO.DE: Die Nicht-Einladung der AfD ist ein politisches Statement. Ein Statement, das viel Aufmerksamkeit bekommt. Damit wir nicht nur über die AfD sprechen: Verraten Sie uns, worauf Sie sich freuen?

Leyendecker: Der Kirchentag ist ja eine Großveranstaltung von Christinnen und Christen. Er ist eine Laienbewegung. Ich freue mich auf 2.300 Veranstaltungen. Ich freue mich vor allem auf die Menschen, die kommen - weil es engagierte Menschen sind, weil es nicht Leute sind, die andere ausgrenzen, sondern Leute, die sagen: Wir wollen helfen. Es sind Leute, die etwas zu tun haben mit dem, was in dieser Welt wichtig ist: Dass man die Würde des Menschen sieht. Dass die Würde des Menschen im Alltag gilt. Dass man sieht, dass man für die Schwachen eintreten muss. Dass die Bewahrung der Schöpfung eine Formel war und wir jetzt endlich ernst machen müssen, wenn wir die Welt noch retten wollen und den Kindern keine zerstörte Welt übergeben wollen.

Von daher glaube ich, dass sehr vieles auf diesem Kirchentag uns auch ein Stück Mut machen kann. Wir können Vertrauen haben, wir können weitergehen. Dorothee Sölle (evangelische Theologin und Dichterin, Anm. d. Red.) hat mal einen wunderbaren Satz gesagt: "Tot wäre, wer mit der Welt einverstanden ist, wie sie ist." Das bin ich nicht. Ich bin nicht einverstanden mit der Welt, so wie sie ist. Gleichzeitig glaube ich, dass wir das Gute packen können.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.


Hans Leyendecker / © Friedrich Stark (epd)
Hans Leyendecker / © Friedrich Stark ( epd )
Quelle:
DR
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