BDKJ sieht großes politisches Interesse bei Jugendlichen

"Wir sehen die politische Energie jeden Freitag auf der Straße"

Jugendliche interessieren sich weniger für Parteipolitik – aber sehr für politische Themen wie dem Klimaschutz. Das stellt die Vorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend, Lisi Maier, fest. Parteien müssten sich aus ihrer Sicht ändern.

Bündnis "Fridays for Future" demonstriert / © Klaus-Dietmar Gabbert (dpa)
Bündnis "Fridays for Future" demonstriert / © Klaus-Dietmar Gabbert ( dpa )

DOMRADIO.DE: Andrea Nahles musste sich in den Tagen vor ihrem Rücktritt vom SPD-Parteivorsitz parteiintern auf harte Weise anhören, dass sie nicht die Richtige sei. Wie kann man Jugendlichen jetzt noch erklären, dass Politik großen Spaß macht?.

Lisi Maier (Bundesvorsitzende des Bundes der deutschen katholischen Jugend / BDKJ): Grundsätzlich muss man schon sagen, dass die junge Generation Spaß beziehungsweise Interesse an Politik hat. Das zeigen nicht zuletzt Jugendstudien, die deutlich machen, dass sich über die letzten Jahrzehnte das politische Interesse gerade der unter 25-Jährigen gesteigert hat. Sie haben aber kein Interesse oder wenig Spaß an dieser Form der politischen Auseinandersetzung, die wenig mit Inhalten zu tun, sondern andere Ausdrucksformen haben.

DOMRADIO.DE: Aber kann in so einer Personalie wie Andrea Nahles und allem, was mit ihr passiert ist, das Interesse nicht deutlich bei den Jugendlichen sinken?

Maier: Ich glaube ganz ehrlich: Man sieht ja schon seit vielen Jahren, dass das Interesse an Politik gestiegen ist. Man sieht das jetzt bei den Fridays-for-Future-Demos, wir sehen das in den Jugendverbänden, in unserer Arbeit, die ja auch jugendpolitisch geprägt ist. Und da sehen wir ganz stark, dass junge Menschen Inhalte vorantreiben wollen, dass sie aber auf Parteipolitik - und das zeigen auch viele Studien - wenig Lust haben.

Es hat viel damit zu tun wie Parteien organisiert sind, wie Parteien aufgebaut sind. Das hat aber auch viel mit den Auseinandersetzungen zu tun, die man immer mal wieder mitbekommt. Und an der Stelle muss man natürlich auch sagen, dass es nicht nur ein Problem der SPD ist, sondern dass wir gerade in diesen Kontexten immer wieder sehen, dass insbesondere Frauen in politischen Spitzenämtern nötiger denn je gebraucht werden und wir weniger Sexismus in der Politik brauchen. Das ist auch ein Thema, das junge Menschen umtreibt.

DOMRADIO.DE: Andrea Nahles war eine der ersten Messdienerinnen, gründete in ihrem Eifeldorf den SPD-Ortsverein. Durchbeißen konnte sie sich tatsächlich von Anfang an. Was ist das für ein Signal, dass gerade diese Kämpfernatur von allen Ämtern zurücktritt.

Maier: Andrea Nahles ist sicher eine der emanzipiertesten Frauen, die ich so im politischen Kontext kenne. Sie hat den Mindestlohn gegen viel Widerstand durchgesetzt - eines der sozialdemokratischen Topthemen der letzten Jahrzehnte. Und dennoch wird sie oftmals auf ihr unangepasstes Verhalten reduziert. In der Hinsicht müssen wir sagen, Peer Steinbrück ist nie so auf seinen Stinkefinger reduziert worden wie Andrea Nahles vielleicht auf ihr Ätschi-Bätschi oder andere Sachen.

An der Stelle glaube ich wirklich, dass patriarchale Denkmuster aufgebrochen werden müssen, wie Frauen in der Spitzenpolitik zu sein haben und wie auf Frauen in der Politik geblickt wird. Es ist nicht nur ein innerparteilicher Diskurs, den SPD, CDU und andere führen müssen, sondern das ist auch die Frage, wie wir als Gesellschaft mit Frauen in diesen Spitzenämtern umgehen und wie die auch medial gezeichnet werden.

DOMRADIO.DE: Nochmal zur SPD: Die österreichische Tageszeitung "Der Standard" hat am Montag geschrieben, die gesamte SPD scheine irgendwie aus der Zeit gefallen. Wie könnte man die Partei denn modernisieren?.

Maier: Ich glaube, das ist eine Frage, die viele umtreibt. Insbesondere glaube ich bei beiden Volksparteien: Sie haben große Mitgliederzahlen, aber veraltete Strukturen. Auf der einen Seite ist es eine strukturelle Frage: Wie kommt man vor Ort bei jungen Menschen an? Sind die Ortsvereine so gestaltet, dass sie offen für junge Menschen sind, dass junge Menschen ernst genommen werden und ernsthaft beteiligt und nicht bevormundet werden? Das ist eine Herausforderung, die für alle Parteien eine Rolle spielt.

Ich glaube aber auf der anderen Seite, dass Themen der sozialen Gerechtigkeit für junge Menschen nicht unattraktiv sind, wie manchmal dargestellt wird. Vergangene Woche haben Joko und Klaas, die ja viele junge Fans haben, dieses Video für ProSieben aufgezeichnet. In 15 Minuten wurden dort drei Kernthemen der Sozialdemokratie angesprochen. Zum einen der Umgang mit Obdachlosen und zum zweiten die Frage der Seenotrettung oder der Umgang mit Geflüchteten. Das sind beides klar solidarische Themen. Das dritte Thema war der Kampf gegen Rechtsextremismus. Und dieses Video wurde in den sozialen Medien extrem häufig geteilt. Da sieht man, dass diese Themen auch für junge Menschen weiterhin von einer großen Relevanz sind.

DOMRADIO.DE: Der BDKJ unterstützt ja auch die Fridays-for-Future-Bewegung, bei der sich Jugendliche für den Klimaschutz einsetzen. Kann daraus eine neue politische Energie entstehen? Die ersten Früchte daraus scheinen ja die Grünen schon bei der Europawahl geerntet zu haben...

Maier: Ich glaube, dass diese politische Energie bereits besteht. Es ist richtig, dass viele unserer Verbände auch bei den Demos mitlaufen oder sich aktiv beteiligen. Wir sehen jeden Freitag auf der Straße, dass diese politische Energie besteht. Und wir sehen aber auch schon seit vielen Jahren, dass Nachhaltigkeit für junge Menschen ein Riesenthema ist. Nicht nur Jugendstudien zeigen das, sondern auch in unseren Verbänden spielt es eine riesengroße Rolle.

Insofern ist das natürlich ein Thema, das junge Menschen weiter umtreiben wird. Nachhaltigkeit bedeutet Klimaschutz, darüber hinaus bedeutet Nachhaltigkeit auch noch mehr - kritischer Konsum und so weiter. Ich glaube, dass das auf alle Fälle Zukunftsthemen sein werden.

Das Interview führte Carsten Döpp.


Quelle:
DR