"Das Christentum wird schrumpfen und verschwinden. Darüber müssen wir nicht diskutieren. Ich habe Recht, und das wird sich beweisen. Inzwischen sind wir populärer als Jesus. Ich weiß nicht, was erst verschwinden wird, Rock n Roll oder das Christentum."
Die britische Journalistin Maureen Cleave hat im Frühjahr 1966 diese Worte John Lennons niedergeschrieben. Auf dem Höhepunkt der Beatlemania, Mitte der 60er veröffentlichte sie in der britischen Zeitung "Evening Standard“ die Serie "Wie lebt ein Beatle?“ und war im März '66 dran über John Lennon und seine Gedanken zu schreiben. Große Reaktionen hat das zuerst aber nicht gebracht.
Andere Zeiten
Die Beatles sind in einem anderen England aufgewachsen. Die Kirche, auch die katholische Kirche vor den Umbrüchen des zweiten vatikanischen Konzils, hatte mehr und mehr Probleme die Menschen zu erreichen. Alle vier Beatles sind in religiösen Familien aufgewachsen. Lennon und Ringo Starr als Anglikaner, George Harrison und Paul McCartney als Katholiken. McCartney sang sogar im Kirchenchor. Alle vier haben sich als Teenager vom Glauben verabschiedet. Von einer Kirche, für die die Prügelstrafe zum Alltag gehörte. Zur gleichen Zeit sehnte sich die Jugend in England und Europa nach einer neuen Musik, rebellisch und laut. Und ganz und gar nicht so, wie die Musik ihrer religiösen Eltern. Zeit für die Beatles.
Auch Amerika wurde schnell von der Beatle-Mania ergriffen. Hier sah aber auch die Beziehung zu Kirche und Glauben anders aus, als im Vereinigten Königreich. Im Sommer '66, drei Monate nach der Veröffentlichung im "Evening Standard" wurden die Texte von Maureen Cleaves Beatles-Reihe im amerikanischen Jugendmagazin "Datebook“ abgedruckt. Amerika, gegründet von religiösen Pilgern, und noch bis heute geprägt vom konservativen, evangelikalen Christentum – hat sensibler auf Lennons Worte reagiert. Mehrere Radiosender, ganz besonders in den konservativen Südstaaten, haben angefangen die Beatles aufgrund ihrer "Blasphemie" zu boykottieren. DJ Tommy Charles vom Sender WAQY aus Birmingham, Alabama: "Das war einfach so absurd für uns. Solch ein Sakrileg, dass wir irgendwas tun mussten. Man muss ihnen zeigen, dass sie mit sowas nicht davon kommen.“
Radio-Boykott für die Beatles
Radiokollegen aus den ganzen Südstaaten folgten dem Aufruf und boykottierten die Lieder der Beatles. Proteste kamen in Gang. Die Musiker fürchteten um ihre Sicherheit, gerade, da im Sommer '66 ihre große US-Tour anstand. Bei einzelnen Konzerten der Tour lief auch der rassistische Ku Klux Klan auf und protestierte. Platten und Poster der Beatles wurden öffentlich verbrannt. Lennon veröffentlichte auf Drängen von Beatles-Manager Brian Epstein eine Entschuldigung: "Die Jugendkultur, das Fernsehen, haben mehr Einfluss auf die Jugend als das Christentum. Das was die Öffentlichkeit aus uns macht, die Popkultur. Gott ist kein alter Mann im Himmel, sondern etwas, das in uns allen existiert. Ich wollte uns nicht mit Jesus vergleichen, sondern nur erklären, warum das Christentum, im Vergleich zur Jugendkultur, in England zurückgeht. Wenn ihr wollt, dass ich mich entschuldige, wenn euch das glücklich macht – dann tut es mir Leid.“
Mit der Live-Karriere der Beatles hatte es sich trotz dieser Aussage bald erledigt. Die US-Tour im August '66, sollte die letzte der Band sein. Lennons Religionskritik sollte aber auch später, in seiner Solokarriere, eine Rolle spielen. Im Lied Imagine stellt sich Lennon gegen Kapitalismus, gegen Eigennutz - und auch gegen die Religion. "Imagine there's no heaven" - Worte, die ihm im Dezember 1980 das Leben kosten sollten.
Gedenken noch heute
Vor seinem Haus am Central Park in New York wird John Lennon vom ehemaligen Beatles-Fan Mark Eric Chapman am 8. Dezember 1980 mehrmals in den Rücken geschossen, und stirbt nur Minuten später. Nach seinem Motiv gefragt, wird der Täter später sagen: "John Lennon hat mit seinen Aussagen zu Atheismus und Religion meine Gefühle verletzt."
Lennons Ansichten haben ihm das Leben gekostet. Seine Musik lebt aber selbst im 21. Jahrhundert noch weiter. Gegenüber seines Wohnhauses am Central Park finden sich heute die "Strawberry Fields". Ein Gedenkort, zu dem Beatles-Fans heute aus aller Welt pilgern. Zu erkennen an einer zwei Meter großen, runden Plakette im Boden. Eine Plakette mit nur einem Wort: Imagine.
Renardo Schlegelmilch