DOMRADIO.DE: In Ihrer Funktion als Vorsitzender der Nordischen Bischofskonferenz, die die skandinavischen Länder sowie Finnland und Island vertritt, reisen Sie kommende Woche nach Rom, um am Vatikangipfel zum Thema Missbrauch (21. bis 24. Februar) teilzunehmen. Wenn es um das Thema Missbrauch geht, dann hören wir in Deutschland viel von Skandalen in Ländern wie den USA, Irland oder auch bei uns in Deutschland. Wie sieht es bei Ihnen in Dänemark mit dem Thema aus?
Czesław Kozon (Bischof von Kopenhagen und Vorsitzender der Nordischen Bischofskonferenz): Wir waren leider auch davon betroffen. Es hat im Laufe der Jahrzehnte Fälle von Missbrauch an Kindern gegeben. Zu verschiedenen Zeiten sind die Fälle in den einzelnen nordischen Ländern hochgekommen. Bei uns in Dänemark war es sehr heftig. 2010 wurden Fälle mehrerer Jahrzehnte aufgerollt. Wir haben auch eine Untersuchung durchführen lassen, um alles darzulegen. Fast alle Fälle waren verjährt, sodass es zu keinen zivilrechtlichen Verfahren kam. Aber natürlich haben wir als Bischöfe und Katholiken darüber gesprochen und die nötigen Maßnahmen getroffen. Alle Länder im Norden haben jetzt Richtlinien dafür, wie mit Missbrauchsfällen umzugehen ist.
DOMRADIO.DE: Wie sehen die bei Ihnen in Dänemark aus?
Kozon: Die sind bei uns sehr ausführlich. Dabei geht es um die Fürsorge um die Opfer und sofortige Meldung an die Polizei, damit jeder Fall von außen untersucht werden kann. Es gibt eine Menge an Richtlinien, wie Priester und sonstige kirchliche Angestellte mit Kindern umgehen sollen, damit man sowohl Missbräuche als auch nur den Verdacht vermeiden kann. Ich glaube schon, dass die Richtlinien bei uns gut funktionieren.
DOMRADIO.DE: Jetzt hatten Sie die Fälle aus dem Jahr 2010 angesprochen. Das sind 15 Menschen gewesen, über die damals bei Ihnen in Dänemark gesprochen wurde. Wenn wir uns die Studie in Deutschland anschauen, da waren es im vergangenen Jahr über 3.000 Fälle, die an die Öffentlichkeit gekommen sind. Wie erklären Sie sich, dass es bei ihnen weniger sind? Liegt es einfach daran, dass es ein kleineres Land ist oder gibt es noch einen anderen Unterschied?
Kozon: Wahrscheinlich liegt es daran, dass wir eine sehr kleine Kirche sind. Dadurch vermindert sich alles proportional im Vergleich zu den großen katholischen Ländern.
DOMRADIO.DE: Jetzt reisen Sie in der kommenden Woche nach Rom, um am Bischofstreffen mit Papst Franziskus teilzunehmen. Wie genau wird das ablaufen?
Kozon: Eine detaillierte Tagesordnung liegt mir noch nicht vor. Aber ich vermute, dass die Thematik nochmals im Ganzen aufgerollt wird. Das umfasst die Tatsache des Missbrauchs, die Begegnung mit Opfern, wahrscheinlich auch Anhörungen von Opfern. Aber sonst hat der Papst gesagt, dass die Erwartungen an das Treffen nicht zu hoch geschraubt werden dürfen. Nicht, dass das nichts gemacht werden soll, aber eigentlich sind drei Tage sehr wenig für so ein schwieriges Thema.
DOMRADIO.DE: Wird es trotzdem Veränderungen geben? Was erwarten Sie als Ergebnis?
Kozon: Die Veränderungen sind ja eigentlich schon auf den Weg gebracht. Man darf nicht vergessen, dass, auch wenn es im letzten Jahr Ereignisse gab, die Anlass zu diesem Treffen gegeben haben, die Missbräuche schon lange bekannt sind und dass fast genauso lange schon Maßnahmen unterwegs sind. Natürlich bedarf das Ganze noch einer Konklusion oder einer weiteren Bearbeitung, aber in den vielen Ländern laufen Bearbeitung und Vorbeugungsmaßnahmen ganz gut.
DOMRADIO.DE: Was denken Sie, was für einen Impuls Sie als Vorsitzender der Nordischen Bischofskonferenz setzen können?
Kozon: Ob ich da etwas speziell zu bieten habe, weiß ich nicht. Auch wenn die Lage in den einzelnen Ländern verschieden ist, ist es ein Thema, wovon alle betroffen sind. Alle sind ja auch von dem betroffen, was außerhalb des eigenen Landes passiert. Es geht ja nicht nur um die einzelnen Fälle. Es geht darum, wie die Kirche heute überhaupt davon betroffen ist. Wenn etwas in den USA passiert, dann werden wir auch in Dänemark von Journalisten gefragt, und auch dänische und nordische Katholiken machen sich darüber Gedanken, wie das passieren kann und konnte und was dagegen zu machen ist.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.