DOMRADIO.DE: Herr Dr. Knipping, Sie begleiten Brautpaare auf dem Weg zur Ehe. Das heißt, Sie greifen persönliche Orientierungsbedürfnisse der Paare auf und versuchen, sie mit den Inhalten der kirchlichen Ehelehre zu verbinden. Sie erschließen die Liturgie des Traugottesdienstes, aber binden auch bereits gemachte Beziehungserfahrungen der Paare aus vorherigen Verbindungen wertschätzend mit ein. Was von all dem konnten Sie während der Pandemie überhaupt umsetzen?
Dr. Burkhard Knipping (Referent für Beziehungs- und Ehepastoral): Natürlich haben die letzten 16 Monate uns Referentinnen und Referenten in der Ehepastoral unsere Arbeit nicht gerade leicht gemacht. Wir durften uns nicht mit Paaren versammeln; damit fiel ein Großteil unserer Angebote schon mal weg. Einladungen an Brautleute zur Bibelarbeit in Pfarrheime konnten nicht stattfinden, auch Gottesdienste nicht oder Unternehmungen, wie wir sie sonst anbieten: Wandern, Pilgern oder Bogenschießen – alles Initiativen, um dabei in der Gruppe über die Ziele einer christlichen Ehe nachzudenken. Am Valentinstag wurde ein Online-Gottesdienst gefeiert, weil mit- und nebeneinander halt nichts ging. Und das ist dann natürlich schon etwas anderes. Da fehlen die Körperlichkeit und Nähe. Trotzdem haben wir versucht, aufrecht zu erhalten, was möglich war.
Bei den digitalen Angeboten sind wir sehr aufmerksam aufeinander eingegangen – erstmals eben mit digitaler Empathie, da wir die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nur auf Bildschirmkacheln gesehen haben. Natürlich bekommt man da nicht alle Emotionen, Wünsche und Fragestellungen der Paare so mit, als würde man persönlich miteinander im Austausch sein. Bei einem persönlichen Gespräch spürt und erfährt man in der Regel sehr viel mehr vom anderen. Trotzdem wollten wir auch in dieser Zeit eine geistliche Gemeinschaft und – wo möglich – eine Gebetsgemeinschaft bilden, was uns auch gelungen ist, selbst wenn das in dieser Form zunächst etwas ungewohnt war. Beim Umgang mit digitaler Kommunikation lernen wir schließlich immer noch dazu – mit allen Chancen und Grenzen, die sie bietet. Auf der anderen Seite hat sie die Kontaktaufnahme auch erleichtert: Die Reaktionen waren unkomplizierter; die Menschen – da kommen in den Veranstaltungen ja ganz unterschiedliche Paare zusammen – waren insgesamt zugänglicher.
DOMRADIO.DE: Und um was kann es dann bei solchen Gesprächen gehen, wenn man sich nicht live begegnet?
Knipping: Um Liebe und Partnerschaft, um Gesprächsführung in der Beziehung, um Spiritualität, Glaube und Gemeinschaft sowie selbstverständlich um das Ehesakrament. Da in den Online-Kursen wie gesagt sehr verschiedene Brautpaare dabei sind – zum Teil sehr beziehungserfahrene und ältere, aber dann auch wieder sehr junge Paare – zeigt sich hier oftmals ein wunderbarer Erfahrungsaustausch, von dem beide Seiten profitieren.
DOMRADIO.DE: Geplatzte Hochzeitsträume waren in den zurückliegenden Corona-Monaten an der Tagesordnung. Reihenweise haben Brautleute ihre kirchliche Trauung abgesagt und mitunter ganz von einem kirchlichen Ja-Wort Abstand genommen. Vielleicht weil es ohnehin keine intensive Bindung an Kirche gab, aber dann die zermürbende Ungewissheit, wann überhaupt wieder mit vielen Gästen gefeiert werden kann, noch hinzukam und das in der Summe schließlich die endgültige Absage dieses "Projektes" besiegelte. Wie gehen Sie damit um?
Knipping: Auch wenn in den vergangenen Monaten Brautpaare das Sakrament der Ehe nicht schließen wollten oder konnten, steht ihnen als standesamtlich Getrauten die kirchliche Eheschließung weiterhin offen. Ich habe viel Sympathie dafür, wenn sie sich trotz widriger Umstände mit einer kleinen Feier – nämlich ihrer standesamtlichen Trauung – als Paar zueinander bekennen. Die Einladung, das Sakrament der Ehe zu schließen, bleibt ja bestehen. Auch das Angebot unsererseits steht: Die Paare können in Veranstaltungen darüber nachzudenken, wie sie ihre Partnerschaft gestalten, auf die Liebe achten und die Ehe als Sakrament leben wollen. Dieses Angebot ist ja von der augenblicklichen Entwicklung, die sich erst jetzt im Hochsommer allmählich entspannt, unberührt.
Zu unserem christlichen Verständnis von Ehe gehört die Orientierung am anderen – auch im Sinne der Nächstenliebe. Mein Partner ist mir der Nächste. Er gibt mir die Möglichkeit, an ihm zu wachsen, so dass mir seine Anliegen und Bedürfnisse sehr wichtig sind – selbst wenn man oft dem Missverständnis erliegt, dass der andere dazu da ist, bei der Befriedigung der eigenen Bedürfnisse zu helfen. Dieser Anspruch, den anderen ins Zentrum zu stellen, ist das Wesentliche. Als Christen stellen wir das "Du" voran. Dabei verliert sich das "Ich" trotzdem nicht, sondern findet in der Ehe seine Position. Das Gemeinsame – das "Wir" – ist nun mal hilfreicher und stärkender als das Individuelle. Nichts anderes besagt das Sakrament: Wenn Ihr Euch einander anvertraut, Euch traut, dann seid Ihr mit Eurer Liebe ein Zeichen der Liebe Gottes zu den Menschen. Mit dieser Botschaft wollen wir das Ehe-Sakrament stark machen.
DOMRADIO.DE: Noch einmal nachgefragt: Bedauern Sie nicht, wenn Menschen genau diese Chance nicht sehen bzw. nicht ergreifen?
Knipping: Wir können nur einladen. Am Ende trifft die Entscheidung jedes Paar selbst. Natürlich sind in den letzten Monaten viele Gesprächsmöglichkeiten verloren gegangen: zum Beispiel das Traugespräch mit dem verantwortlichen Pfarrer, das vor einer kirchlichen Eheschließung sowohl wichtig als auch verpflichtend ist, oder das Gespräch mit dem Traugeistlichen. Solche spirituellen Gespräche können für Paare wundervolle Momente sein, wenn sie mit einem Seelsorger gut über den Glauben oder die Liturgie sprechen. So ein geistlicher Impuls wirkt dann oft wie ein Anschub und löst bei vielen eine Bewegung im Herzen aus. Ehevorbereitungskurse sind im Übrigen auch dazu da, mit anderen Paaren über die Verbindung von Glaube und Liebe ins Gespräch zu kommen. Und wie gesagt: Auch noch in einigen Jahren darf ein Paar kommen, das jetzt erst einmal den Hochzeitstermin verschoben oder ganz abgesagt hat und dessen ungeachtet nach Stärkung in seiner Beziehung sucht. Die Entscheidung für das Sakrament kann zu jedem Zeitpunkt getroffen werden und ist völlig terminunabhängig. Je gereifter eine solche Entscheidung ist, desto schöner eigentlich.
DOMRADIO.DE: Welches Anliegen verbinden Paare denn mit dem Ehe-Sakrament?
Knipping: Wer sich letztlich dafür entscheidet, hat im Herzen tief diesen Wunsch, seinen Bund unter den Schutz und Segen Gottes zu stellen. Manchmal fehlt vielleicht eine gewisse Sprachkompetenz, um das zu artikulieren. Dann ist das unsere Aufgabe, in den Ehevorbereitungskursen diesen tiefen Grund aussprechbar zu machen. Trotzdem haben diese Paare eine Ahnung davon, was es heißt: Mit dem Empfang des Sakramentes stellt sich Gott auf unsere Seite, will seine Hand über uns halten. Und das macht etwas mit ihnen, gibt ihnen Vertrauen und Kraft. Manche führen auch die Großeltern an, dass sie bei ihnen diesen tiefen Grund – das Vertrauen auf Gott – erlebt haben und sich nun etwas Ähnliches für ihr eigenes Leben wünschen. Sicher sucht jedes Paar in der kirchlichen Trauung zudem einen festlichen Gemeinschaftscharakter. Manche wollen eine schöne Liturgie, die sie als Paar feiert. Wegen dieser Anliegen nehmen Brautpaare gerne Mehraufwand bei der Vorbereitung in Kauf. Für alle diese Überlegungen sind wir in den Ehevorbereitungskursen da.
DOMRADIO.DE: Wie sind Ihre Erfahrungen? Gibt es Paare, die sich in dieser schwierigen Pandemie-Phase von der Kirche Hilfe erhofft oder zumindest den Kontakt mit ihr gesucht haben?
Knipping: Für die Begleitung von Paaren – unabhängig davon, ob sie kirchlich heiraten wollen oder nicht – stehen in den einzelnen Regionen viele Kolleginnen und Kollegen zur Verfügung. In den letzten Monaten haben wir auch unsere Ehevorbereitungsangebote zeitlich noch einmal ausgedehnt und die Paare, die sich an die Ehepastoral gewandt haben, auch mit Aufgaben betraut, die sie als Mann und Frau in einen Austausch miteinander bringen sollten. Wir haben diese Zeiträume in der Pandemie genutzt, damit die Kirche gerade mit den Brautpaaren – und auch umgekehrt die Paare mit der Kirche – verbunden bleiben. Das war eine Chance für eine vertiefte Auseinandersetzung mit eigenen Vorstellungen und Wünsche zu den Themen, Liebe, Partnerschaft, Eheschließung und Glaube. Corona hat sicher vieles erschwert, aber wer Gott in seinem Leben einen Platz geben will, stand während der Pandemie – jetzt mal bildlich gesprochen – nicht vor verschlossenen Kirchentüren.
DOMRADIO.DE: Trotzdem: Bei vielen Paaren ist die Luft raus. Ermutigen Sie sie, ihre Entscheidung noch einmal zu überdenken, und sehen Sie eine Chance, ihnen den "Mehrwert" des Sakramentes, das sich Eheleute gegenseitig spenden, schmackhaft zu machen?
Knipping: Wir ermutigen immer zum Sakrament der Ehe, weil Paare mit ihrem Gottvertrauen ihr Eheleben gut angehen können und weil Gott ihre Liebe stärkt und ihren Bund heiligt. Davon sprechen wir – und dass das Fest der Trauung ein Zeichen dafür sein soll, dass mit Gottes Liebe etwas gelingen kann. Dem anderen etwas Gutes wollen, mit ihm durch Dick und Dünn gehen, sich ganz in eine Beziehung hineingeben und sich gemeinsam entwickeln – nicht nur zu zweit, sondern unterstützt durch Gott – das bedeutet das Ehesakrament, und dies an sich hat doch etwas sehr Ermutigendes.
DOMRADIO.DE: Im gesamten Erzbistum, sagen Sie, gibt es flächendeckend eine Vielzahl an Mitarbeitern, die eine seelsorgliche Expertise für das Thema Ehe mitbringen und Brautpaare theologisch auf ihren großen Tag vorbereiten. Findet da untereinander ein Austausch statt, was die Corona-Krise mit Paaren macht und ob es da ganze neue Angebote zur Bewältigung dieser Herausforderung – auch noch im Rückblick – braucht?
Knipping: Ja, es gibt einen breiten Austausch, an dem viele beteiligt sind. Haupt- und ehrenamtlich Engagierte in der Ehe- und Familienpastoral, der Beratung und der Bildung reflektieren die vergangenen Monate, ihre Auswirkungen auf Paare und Familien und ziehen daraus Konsequenzen für ihre Arbeit, auch indem sie erweiterte Angebote machen. Denn egal in welcher Situation Paare sind – ob sie sich nach dem Lockdown und seinen Herausforderungen momentan wieder neu finden müssen, ob sie sich durch die coronabedingten Belastungen von einer neuen Seite kennengelernt haben und vielleicht manche Paare alleine aus ihren Konflikten nicht mehr herausfinden oder bei ihnen die Enttäuschung einer abgesagten Hochzeit noch Nachwirkungen zeigt – wir sind jederzeit ansprechbar. Wir geben Impulse, damit sie sich nicht allein auf Probleme fixieren, sondern auch auf ihre Fähigkeiten setzen. Wir unterbreiten Angebote, um zu helfen, diese immense physische und psychische Anspannung, der manche Paare ausgesetzt waren und immer noch sind, zu lockern. Und ja, natürlich überlegen wir permanent, welche Möglichkeiten und Methoden dabei sinnvoll sind.
Aber auch wer diese Krise gut bewältigt hat, ist eingeladen, seine guten Beziehungsbänder weiter zu stärken. Mit unseren Angeboten – das würden wir uns wünschen – wollen wir doch allen gleichermaßen dieselbe Erfahrung vermitteln: Wir lieben uns, weil Gott uns die Liebe geschenkt hat, und er es ist – an allen Tagen unseres Lebens – der uns liebt.
Das Interview führte Beatrice Tomasetti.