Oscar Arias, Ex-Präsident und Friedensnobelpreisträger aus Costa Rica, sagte einmal im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA): "In Costa Rica gibt es drei Jahreszeiten: Die Regenzeit, die Trockenzeit und die Zeit, in der es Konflikte mit dem Nachbarland Nicaragua gibt." Die Worte scheinen aktueller denn je. Und zugleich sind sie auch ein Indiz dafür, warum eine Entsendung von Erzbischof Georg Gänswein nach Costa Rica zumindest eine kleine Überraschung wäre.
Seit Mittwoch ist die Personalspekulation im Umlauf, vermeldet vom spanischsprachigen Portal "Religion Digital" unter Berufung auf anonyme Kirchenquellen. Vor allem in Deutschland hat die Nachricht um den langjährigen Vertrauten des deutschen Papstes Benedikt XVI. große mediale Aufmerksamkeit erhalten. In Costa Rica fielen die Reaktionen dagegen verhalten aus. Eine Sprecherin der Bischofskonferenz in San Jose erklärte auf Anfrage der KNA: "Uns liegen dazu keine Informationen vor". Was weder ein klares Dementi noch eine Bestätigung ist. Die Medien in dem mittelamerikanischen Land blieben auf Distanz.
Die Schweiz Mittelamerikas?
Sollten sich die Spekulationen bestätigen, käme der langjährige Sekretär des an Silvester gestorbenen emeritierten Papstes in ein Land, das einmal den Ruf hatte, als die "Schweiz Mittelamerikas" ein problemfreies Rückzugsrefugium zu sein. Doch inzwischen haben sich die Dinge geändert. Erst am Samstag bestätigte Costa Ricas Regierung, dass sie den Papstbotschafter in Nicaragua, Marcel Diouf, nach Schließung der dortigen Apostolischen Nuntiatur empfangen hat.
Im eskalierenden Streit zwischen dem Vatikan und Nicaragua käme der Nuntiatur in Costa Rica - und damit auch einem potentiellen Nuntius Gänswein - eine besondere Bedeutung zu. Schon jetzt sind Dutzende katholische Geistliche aus Nicaragua ins Nachbarland geflohen. Weltweite Beachtung fand die Verurteilung des katholischen Bischofs Rolando Alvarez zu 26 Jahren Haft wegen Vaterlandsverrats. Inzwischen gibt es große Sorgen um dessen persönliche Sicherheit und Gesundheitszustand. Costa Rica ist für Nicaraguas Kirche zum Zufluchtsort Nummer eins geworden. Papst Franziskus hatte jüngst das Regime von Daniel Ortega mit der Nazi-Diktatur verglichen, was Managua mit der Kappung aller diplomatischer Beziehungen beantwortete.
Neuanfang mit Franziskus?
Wenn inzwischen mehrfach dementierte Gerüchte stimmten, wonach das Verhältnis zwischen Gänswein und Franziskus nicht das Allerbeste sei, dann wäre es eine kleine Überraschung, wenn der Argentinier den Deutschen ausgerechnet in dieser sensiblen Phase mit der Aufgabe betraut, die absolutes gegenseitiges Vertrauen voraussetzt. Vielleicht wäre es aber auch die Chance für einen Neuanfang für beide Parteien.
In Costa Rica bestimmen wachsende Kriminalität und Unsicherheit die innenpolitische Debatte. Hinzu kommt eine enorme humanitäre Herausforderung wegen des anhaltenden Massenexodus aus Nicaragua sowie der durchreisenden Migranten aus Südamerika. Sicherheitsminister Jorge Torres sprach der eigenen "domestizierten Gesellschaft" die Fähigkeit ab, sich gegen die immer mächtiger werdende Drogenmafia wirklich wehren zu können. Dass die organisierte Kriminalität im Land ohne eigene Armee immer mehr Zulauf gewinnt, könnte auch an der wachsenden Perspektivlosigkeit liegen. Laut einem aktuellen Bericht ist Costa Rica das OECD-Land mit der größten Armutsrate unter Kindern und Jugendlichen. In der Regel führt Armut unter Minderjährigen oft dazu, dass sich junge Menschen vom schnellen Geld der Mafia verführen lassen.
Auch innenpolitisch ist das Klima rauer geworden. Präsident Rodrigo Chaves nannte jüngst Journalisten, die in einem Korruptionsfall recherchierten, "Auftragsmörder", die eine Person medial hinrichten wollten. Hinzu kommt: Auch in Costa Rica sind die evangelikalen Kirchen auf dem Vormarsch, hätten 2018 mit Fabricio Alvarado fast sogar schon einmal die Präsidentschaft erobert. Das alles klingt nicht danach, dass Costa Rica ein allzu ruhiger Zufluchtsort für einen Erzbischof auf der Suche nach einer neuen Aufgabe werden könnte.