Corona-Situation im Heiligen Land

"Wirtschaftlich eine große Katastrophe"

Für die Menschen im Heiligen Land ist es schon der zweite Lockdown. Besonders die Christen vor Ort sind hart getroffen, da ein Großteil von ihnen im Tourismus arbeitet. Eindrücke vom Heilig-Land-Verein.

Fast menschenleere Gassen in Jerusalem / © Andrea Krogmann (KNA)
Fast menschenleere Gassen in Jerusalem / © Andrea Krogmann ( KNA )

DOMRADIO.DE: Es ist ja schon der zweite Lockdown nach dem im Frühjahr. Wie gehen die Christen im Land damit um?

Dr. Georg Röwekamp (Leiter des Jerusalemer Büros des Deutschen Vereins vom Heiligen Lande): Der Lockdown prägt das Land sehr stark. Er dauert jetzt schon fast vier Wochen an. Der ging über die gesamten jüdischen hohen Feiertage: das Laubhüttenfest, Jom Kippur, das Neujahrsfest. Der Lockdown prägt das Land sehr, da wirklich Geschäftstätigkeiten zu einem großen Teil eingeschränkt sind. Es ist sehr still an vielen Stellen. An anderen Stellen halten sich die Leute nicht so an die Beschränkungen. Das führt auch immer wieder zu großen Diskussionen. Da sieht es etwas belebter aus.

Aber wirtschaftlich ist das schon eine große Katastrophe für viele Leute hier, nicht zuletzt im Tourismussektor, wo ja auch viele Christen beschäftigt sind. Bis zu 70 Prozent der Christen, sagt man, sind direkt oder indirekt vom Tourismus und von den Pilgern abhängig. Von daher ist dieser, was diese Tatsache angeht, ja schon seit März andauernde komplette Lockdown eine ziemliche Katastrophe.

DOMRADIO.DE: Sie haben es gesagt: Die Pilger bleiben aus. Das bedeutet eben für Ihre Pilgerheime Flaute und ausbleibende Einnahmen überall in der Branche. Können Sie das nochmal konkretisieren? Welche Folgen hat das nun?

Röwekamp: Es sind eben wirklich ganze Berufsgruppen, die davon betroffen sind. Das sind alle, die in Gästehäusern arbeiten, wie zum Beispiel auch in unseren. Da ist noch ein Unterschied, ob das in Israel ist, ob die aus Israel stammen. Dort gibt es eine Arbeitslosenversicherung. In der Westbank, in Bethlehem zum Beispiel ist die Situation sehr viel schwieriger, sehr viel dramatischer, weil es dort solch ein Sicherheitssystemen nicht gibt. Und Busfahrer, Reiseleiter und alle diese Gruppen haben überhaupt kein Einkommen seit März und müssen teilweise wirklich ums Überleben kämpfen.

DOMRADIO.DE: Es geht natürlich auch um viele Existenzen, beispielsweise für Geschäftsinhaber. Sie haben es schon gesagt: Nicht alle halten sich an die Regeln. Wie nehmen Sie das wahr?

Röwekamp: Das ist einfach wirklich auch sehr unterschiedlich. Ich glaube, das ist ähnlich wie in Deutschland. Manche sind einfach müde geworden, andere glauben nicht so recht an diese Gefahr. Andere glauben theoretisch daran, aber das hat dann keine praktischen Auswirkungen. Da gibt es wirklich alles, was es auch in Deutschland gibt. Manche Bestimmungen werden durchaus eingehalten und kontrolliert.

Das gilt zum Beispiel auch für die christlichen Gemeinden, die Gottesdienste ähnlich wie die Synagogen nur mit bis zu 10 Gläubigen durchführen können. Das heißt, auch da sind die Gemeinden auf tägliche oder sonntägliche Onlineangebote umgestiegen, weil einfach das normale Leben so nicht mehr möglich ist. Wobei mir einheimische Christen erzählen, sie sehnen sich wirklich auch danach, dass sie wieder gemeinsam an Gottesdiensten teilnehmen können, weil der gemeinsame Besuch solcher Feiern für sie auch ein soziales Ereignis ist. Es ist auch eine Möglichkeit als kleine Minderheit, sich wenigstens zu treffen.

DOMRADIO.DE: Der deutsche Verein vom Heiligen Lande unterstützt viele Projekte im Land, unter anderem auch im Bildungsbereich. Mussten diese Projekte jetzt im Lockdown komplett runtergefahren werden?

Röwekamp: Uns hat ja der Wegfall der Palmsonntagskollekte in der üblichen Form auch schwer getroffen. Wir versuchen aber trotz weniger Mitteln, diese Projekte so weit wie möglich aufrechtzuerhalten, zumal die Not größer ist. Das gilt für unser Altenpflegeheim in Qubeibeh, wo manche Familien es noch schwerer haben, die geringen Beiträge für die Pflege zu leisten. Das gilt auch für unsere Schule, wo es manchen Familien schwerer fällt, die Schulgelder zu bezahlen.

Aber wir versuchen auch zum Beispiel, die Reiseleiterinnen und Reiseleiter in Bethlehem fortzubilden in dieser Zeit, damit sie einfach gut vorbereitet dann in die hoffentlich irgendwann wiederkehrende Saison mit den Pilgern und Besuchern gehen können.

Das Interview führte Carsten Döpp.

 

Georg Röwekamp / © Paul Sklorz (KNA)
Georg Röwekamp / © Paul Sklorz ( KNA )
Quelle:
DR
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