Wirtschaftsprüfer belasten UNICEF - Kinderhilfswerk wehrt sich

Kampf ums Image

Heide Simonis geht, der Skandal bleibt. Mit ihrem Rücktritt als ehrenamtliche UNICEF-Vorsitzende zog die frühere SPD-Politikerin die Konsequenzen aus den monatelangen Querelen wegen der möglichen Verschwendung von Spendengeldern. Das Image nimmt weiter Schaden, Simones und Wirtschaftsprüfer belasten das Kinderhilfswerk. Auch die Zentrale in Genf ist besorgt.

 (DR)

Das Kinderhilfswerk UNICEF Deutschland hat sich erneut gegen Vorwürfe der Verschwendung von Spendengeldern gewehrt. Es habe keinerlei Missbrauch gegeben, sagte Rudi Tarneden, Sprecher des UN-Kinderhilfswerks, am Montag in Köln. "Wir hatten lediglich Schwächen in der Bürokratie", betonte er. Zum Beispiel seien nicht alle Verträge doppelt gegengezeichnet worden, sagte Tarneden. Diese Verstöße gegen interne Regeln, die von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG in einem Gutachten aufgezeigt worden seien, habe UNICEF von Anfang an eingeräumt.

KPMG habe die Fehler als "Unregelmäßigkeiten" bezeichnet, der UNICEF sei dieses Wort dagegen zu hart gewesen, sagte Tarneden. "Das eine ist Wirtschaftsprüferdeutsch, das andere normales Deutsch", sagte der Sprecher. "Nun versucht man, mit diesem Wort Politik zu machen."

Nach einem Bericht der "Frankfurter Rundschau" wirft die KPMG dem Kinderhilfswerk vor, den Prüfbericht nicht wahrheitsgemäß dargestellt zu haben. UNICEF dürfe nicht weiterverbreiten, es habe keine Unregelmäßigkeiten gegeben, verlangte die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. In der Zusammenfassung der Sonderuntersuchung sei "sehr klar von Verstößen die Rede".

Die mittlerweile zurückgetretene UNICEF-Vorsitzende Heide Simonis sagte, der KPMG-Bericht zeige klare "Verstöße gegen Unterschriftenregeln, Vier Augen-Prinzip und Schriftform von Verträgen". Dies seien Verstöße gegen Regeln, die "unverzichtbar" seien, "damit man Abläufe nachvollziehen kann", sagte Simonis dem Blatt. Die Vorwürfe richten sich vor allem gegen UNICEF-Geschäftsführer Dietrich Garlichs, dem der Vorstand am Samstag auf einer Krisensitzung in Frankfurt am Main erneut das volle Vertrauen ausgesprochen hatte.

"Vorstand hat als Kontrollorgan versagt"
Angesichts der Kritik am Kinderhilfswerk UNICEF Deutschland wegen undurchsichtiger Beraterverträge und Verschwendung von Spendengeldern fordert die frühere Geschäftsführerin der Organisation, Katharina Schippers, laut einem Zeitungsbericht den Rücktritt von Vorstand und Geschäftsführung des Kinderhilfswerks. Ihr sei "unverständlich, wie Arroganz und die Abwesenheit jeglicher Sensibilität bei denen, die Vorbild sein sollten, die juristischen Tatbestände über die moralisch-ethischen stellen", sagte Schippers in einem Brief an die zurückgetretene UNICEF-Vorsitzende Heide Simonis, aus dem der "Kölner Stadt-Anzeiger" (Mittwochausgabe) zitiert.

Der Vorstand habe als Genehmigungs- und Kontrollorgan gegenüber dem in die Kritik geratenen Geschäftsführer Dietrich Garlichs versagt und suche deshalb jetzt den Schulterschluss mit ihm. Das sei "gegenüber denjenigen, die gerade wegen dieser ethischen Werte an UNICEF geglaubt haben, menschenverachtend", zitiert die Zeitung die frühere Geschäftsführerin weiter.

Neudeck fordert Reformen
"Ich habe immer gesagt, dass sich die großen UN-Organisationen radikal reformieren und wieder Beziehungen zu den Ärmsten der Armen knüpfen müssen", sagte der Gründer der Hilfsorganisationen Cap Anamur und Grünhelme, Rupert Neudeck, der hannoverschen "Neuen Presse".

"Das schafft man nicht, indem man höchstbezahlte Funktionäre hat, die
in den Hauptstädten der Welt oft mit Diplomatenrechten herumfahren." UNICEF sei eine wichtige Organisation, die die Welt unbedingt brauche. "Aber das System UNICEF muss sich ändern - radikal und möglichst bald", mahnte Neudeck. Und das Entscheidende dabei sei der pflegliche, haushälterische Umgang mit Geld.

Helfer im Haupt- und Ehrenamt
Seit Monaten halten nun Vorwürfe die deutsche UNICEF-Zentrale in Köln in Atem. Die "Frankfurter Rundschau" berichtete über angeblich überhöhte Honorare an externe Berater, eigenmächtige Umbaupläne und nicht korrekt ausgewiesene Vermögen. Der ehemalige Lidl-Deutschland-Chef, Stefan Rohrer, fühlte sich laut der Zeitung getäuscht, weil von einer 500.000-Euro-Spende der Handelskette Lidl 30.000 Euro Provision gezahlt wurden.

Die Folgen des Skandals: Der Spendeneingang blieb nach ersten Informationen im Dezember um 3,7 Millionen Euro hinter dem Plan, und unter den 8.000 ehrenamtlichen Mitarbeitern rumort es. Spendenexperten raten UNICEF zu größtmöglicher Transparenz.

Für Burkhard Wilke, Geschäftsführer des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen, zeigte sich schon am Jahresanfang ein typisches Problem vieler Hilfswerke: Die "Schnittstelle" zwischen hauptamtlich und ehrenamtlich Tätigen werde oft zum neuralgischen Punkt. Der Informationsfluss und die Aufgabenteilung müssten gut ausbalanciert werden. Oft fehle es an Wissen. Eine Organisation wie UNICEF, die 2006 rund 97 Millionen Euro einwarb, habe eben Werbe- und Verwaltungsausgaben in Millionenhöhe.