"Nein", betonte CSU-Chef Markus Söder bei der Vorstellung einer Friedrich-Merz-Biografie in Berlin, die CDU verliere unter Kanzlerkandidat Merz nicht das C, das Christliche. Und insbesondere die CSU stehe dafür, dass relevante Fragen mit Blick auf die Kirchen, etwa die Debatte um eine Ablösung der Staatsleistungen oder Suizidbeihilfe, am Ende richtig - also im Sinne der Kirchen - entschieden würden.

Doch obschon der CSU-Chef sich seiner Sache sicher scheint. Beim Blick ins Wahlprogramm der Union mögen hinsichtlich der C-Frage Zweifel aufkommen. Und auch in den Wahlprogrammen der anderen Parteien sind christliche Kernthemen gar nicht, wenig oder klar gegen die Haltung der Kirchen vertreten.
Kein schlechtes Verhältnis
Eine erstaunliche Nähe findet sich teilweise bei der Linken und ihrem Projekt "Silberlocke". So nennen die altgedienten Linken-Vertreter Gregor Gysi, Bodo Ramelow und Dietmar Bartsch ihren Versuch, der Partei einen erneuten Einzug in den Bundestag zu sichern.
Wenn in den Wahlprogrammen wenig explizit zu den Kirchen enthalten sei, könne dies doch positiv interpretiert werden, heißt es aus kirchlichen Kreisen. Das Verhältnis zu den Parteien sei aktuell nicht schlecht. Schließlich habe es auch Zeiten gegeben, in denen mehrere Parteien etwa das kirchliche Arbeitsrecht oder die Staatsleistungen abschaffen wollten. Letzteres fordern FDP und Linke weiterhin.
Wenig zu Religion
Andererseits ist die Differenz zwischen Positionen der Kirchen und der Politik zu offenkundig. Hört man sich in kirchlichen Kreisen um, kommt immer wieder die sorgenvolle Frage auf, wer überhaupt noch Bezug zur Kirche und deren Themen habe. Der nächste Bundestag wird es zeigen.

Ein Thema, das vermutlich die meiste Berücksichtigung findet, ist Familienpolitik. In allen Wahlprogrammen finden sich ausführlichePassagen und Vorschläge zur Stärkung von Familien, zum Kampf gegen Kinderarmut sowie besseren Bildungschancen für die Jüngsten in der Gesellschaft.
"Früher war mehr Lametta"
Blickt man indes darauf, wie Kirchen und Religion in den Wahlprogrammen allgemein berücksichtigt werden, beschreibt der Loriotsche Ausspruch "Früher war mehr Lametta" vielleicht am besten den Zustand. Beim politischen Newcomer Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) findet sich nichts zu Kirchen oder Religion.
Bei der Union geht es um das Wahren von Traditionen wie Sonntagsruhe und Feiertage. Auch SPD und Grüne betonen den wertvollen Beitrag der Kirchen für das Zusammenleben und den sozialen Zusammenhalt. Mehr Veränderung wünschen sich wie gesagt FDP und Linke, aber auch AfD. Letztere will etwa das Kirchenasyl abschaffen.
Wenig zu Entwicklungspolitik
Auch Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe, bei denen viele kirchliche Player aktiv sind, spielen - behutsam formuliert - eine sehr untergeordnete Rolle. Mit nur einer Hand voll Treffer ist an vielen Stellen vor allem der Ruf nach Reformen und weniger Mitteln groß. So etwa bei der AfD, die der Entwicklungspolitik zwar vergleichsweise viel Raum schenkt, die Zuwendungen aber deutlich kürzen will.
Die FDP will indes das Entwicklungsministerium abschaffen - wieder einmal. Die Union spricht sich ebenfalls für eine Verschmelzung von humanitärer Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit aus. Das deutet letztlich eine Abschaffung des Ministeriums an, ist humanitäre Hilfe doch derzeit im Außenamt integriert.
SPD, Grüne und Linke bekennen sich noch zu den OECD-weit geforderten 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit. Beim BSW taucht Entwicklungspolitik überhaupt nicht auf.
Teils harter Migrationskurs
In der Migrationsfrage setzen nicht nur AfD und BSW eher auf Begrenzung und Abschreckung, sondern auch die Union. "Illegale Migration stoppen", ist ein eigenes Kapitel im gemeinsamen Wahlprogramm von CDU und CSU überschrieben. Der harte Grundton bleibt. Auch bei der FDP geht es vorrangig um eine Migrationspolitik, die mehr steuert und ordnet, sowie um ein Ende der irregulären Migration.

SPD und Grüne mäandern dazwischen: einerseits mehr Kontrolle bei Flucht und geordnete Arbeitsmarktmigration, andererseits Familiennachzug und humane Rückführungen. Bei den Linken heißt es indes: Die Migrationsdebatte mache Migranten und Geflüchtete zu Sündenböcken einer verfehlten Politik im Interesse der Reichen. Ähnlich argumentiert das Zentralkomitee der deutschen Katholiken, das einen "unsachlichen Überbietungswettbewerb gegen Zugewanderte und Geflüchtete" beklagt.
Legalisierung der Abtreibung?
Zu bioethischen Fragen wie dem assistierten Suizid, der Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen, Leihmutterschaft oder Eizellspende, ist beim BSW nichts und bei den anderen Parteien nur teilweise etwas zu finden. Die AfD widmet indes der Frage der Abtreibung ein ganzes Kapitel - und ist strikt dagegen.

Die Union will bekanntlich die bestehende Gesetzgebung bewahren. Grüne und SPD wollen Schwangerschaftsabbrüche aus dem Strafgesetzbuch herausnehmen. Aus Sicht der Linken sollte ein Abbruch als medizinischer Eingriff gelten und Verhütungsmittel sollten für alle kostenfrei sein.
Zwar lässt die FDP die Frage nach einer solchen Legalisierung offen - das sollen interfraktionelle Gruppenanträge klären - bei vielenanderen medizin-ethischen Themen ist die Position der FDP aber weit von der Linie der katholischen Kirche entfernt: Legalisierung von Eizellspenden, Zulässigkeit von Embryonenspenden, nicht-kommerzielleLeihmutterschaft, mehr finanzielle Förderung von Kinderwunschbehandlungen, unabhängig von Familienstand oder sexueller Orientierung. Und die Scheidung per Videocall.
Friede bei den Rechten?
Beim Thema Frieden stilisieren sich AfD und BSW als vermeintlich einzige Friedensparteien. Die Union verbindet mit dem Begriff in ihrem Wahlprogramm den sozialen Frieden in Deutschland. SPD und FDP kombinieren Frieden und Sicherheit, bei den Grünen lautet der Slogan "Frieden in Freiheit". Die Positionen bleiben an vielen Stellen aber allgemein.
Aus Sicht des Friedensbeauftragten der Evangelischen Kirche in Deutschland, Friedrich Kramer, haben AfD und BSW die Friedensfrage geschickt aufgegriffen. Gleichzeitig müsse etwa die gewaltvolle Sprache der AfD aufhorchen lassen. Doch, so heißt es aus beiden Konfessionen, auch bei den Kirchen ist die Friedenspolitik nicht mehr das, was sie etwa in den friedensbewegten Jahren des Kalten Krieges einmal war. Dennoch, so Kramer, bleibe die Friedensfrage Teil der kirchlichen DNA.