Verheerende Dürre lastet auf Kenia und schürt Konflikte

Wo Menschen im Streit um Wasser erschossen werden

Kenia leidet unter einer historischen Dürre. Zwei Millionen Menschen droht ohne schnelle Unterstützung der Hungertod. Experten vor Ort rufen zur Hilfe auf, aber noch wichtiger sind langfristige Lösungen.

Autor/in:
Markus Schönherr
Dürre / © Kusalodom (shutterstock)

Das Vieh krepiert auf dem rissigen Steppenboden. Nur ausgewählte Tiere, die stärksten, bekommen die Notrationen der humanitären Organisationen. Seit Monaten hat es nicht mehr geregnet, viele Brunnen sind versiegt. Der Norden Kenias befindet sich im Griff einer historischen Dürre. Mehr als zwei Millionen Menschen droht eine Hungersnot. Unterdessen ist der Kampf um die letzten sauberen Quellen und Weideflächen in einen blutigen Konflikt ausgeartet.

Hirten stark betroffen

"Etwa 80 Prozent der Menschen hier leben als Hirten. Sie halten Rinder, Schafe, Ziegen und Kamele", sagt Margaret Kahiga. Von der Hauptstadt Nairobi aus koordiniert die Kenianerin den Hilfseinsatz der US-amerikanischen Catholic Relief Services (CRS) im Norden des Landes. In den Bezirken Isiolo und Marsabit verteilen die Helfer Heu und Futtermittel für Tiere. Den Bewohnern, von denen die Hälfte auf Unterstützung angewiesen ist, senden sie monatlich Geld über die Mobilfunkplattform M-Pesa für Lebensmittel. Brunnenpumpen werden repariert und mit Benzin versorgt.

Etwa 90 Prozent der Wasserquellen im Norden und den östlichen Küstenregionen sind versiegt. Darüber hinaus bereitet Kahiga ein anderer Trend Sorge: die Intervalle der Trockenperioden. "Früher gab es alle zehn Jahre eine Dürre, dann alle fünf, und jetzt befinden wir uns jedes zweite Jahr in einer solchen Situation." Es sei schwierig, jedes Mal angemessen Soforthilfe zu leisten, das gehe nicht zuletzt auch auf Kosten der langfristigen Entwicklung. Um über die Runden zu kommen, fällten einige Hirtengemeinden das karge Baum- und Buschland.

"Aber das verschärft das Problem. Die Entwaldung macht die Dürren schlimmer, sie lässt Wasser verschwinden und führt zu Bodenerosion", berichtet die CRS-Koordinatorin. Bereits jetzt führe der Ressourcen-Mangel zu Konflikten unter den Hirten.

Situation führt zu Konflikten

Sie siedeln meist in der Nähe von Schulen und Krankenhäusern. Während die Frauen die Manyattas bewirtschaften, traditionelle Dörfer aus Lehmhäusern, ziehen die Männer mit den Herden von einem Weideland zum nächsten. Doch wenn dort bereits die Kühe des Nachbardorfs die letzten Grashalme fressen? "In ihren Augen ist es besser, selbst zu sterben, als ihr Vieh verenden zu sehen", berichtet James Galgallo, Direktor der Caritas Isiolo. Gekämpft wird mit Waffen aus den benachbarten Bürgerkriegsländern Südsudan, Somalia und Äthiopien. Immer wieder gibt es Tote.

Wenn sich die Hirten wieder einmal bekriegen, müssen die Helfer in ihrem Stützpunkt bleiben. "Niemand will das Leben seiner Mitarbeiter aufs Spiel setzen", so Galgallo, selbst Sohn nomadischer Hirten. Er fürchtet, dass der Klimawandel und der Kampf um Ressourcen in den nächsten Jahren noch mehr Konfrontation in Nordkenia schüren werden.

Im September verhängte Präsident Uhuru Kenyatta den Notstand über die Dürreregion. Seither läuft die staatliche Hilfe schleppend an. Silas Apollo, Journalist bei der Zeitung "Daily Nation", kritisiert: "Neun Jahre, nachdem Präsident Kenyattas Regierung den Bau von Dämmen, Bewässerung von Millionen Ackerflächen und Subventionen für Farmer versprochen hat, bleiben Dürre, Not und Hunger ein Problem für so viele im Land."

Dürre und Hunger

Caritas-Direktor Galgallo wie auch CRS-Vertreterin Kahiga betonen, dass der Hilfseinsatz bei der aktuellen Dürre zumindest koordinierter ablaufe. Gemeinsam mit den Behörden der Counties (Verwaltungsbezirke) schaffe man Wassertanks und humanitäre Güter zu den Hungernden.

Weltweit sterben pro Jahr neun Millionen Menschen an den Folgen von Hunger, so der Direktor des Welternährungsprogramms WFP, David Beasley. "Viel günstiger" als die Hilfsmaschinerie zu füttern, wäre es, die "Grundursache zu bekämpfen und Menschen die Mittel zu geben, sich zu wappnen". In Kenias Norden wären solche Mittel etwa ein leichterer Zugang zu Viehmärkten, alternative Einkommensquellen, die Anlage von Gemeinschaftsgärten.

Galgallo fordert die Ausbildung von "Lokalmeteorologen": Hirten, die mit wissenschaftlichen Methoden und Wettertabellen Prognosen erstellen. An eine Dürre könnten sich die Hirten zwar nie "gewöhnen" - "Wenn sie dich trifft, schmerzt es", so Galgallo -, doch man könne sich vorbereiten.


Quelle:
KNA