Theologe zu kirchlichen Plänen für Weihnachten in Corona-Krise

"Wofür steht Weihnachten jenseits von Geschenken und Glühwein?"

Hoffnungen auf ein schnelles Ende der Pandemie haben sich nicht erfüllt. Die Kirchen bereiten sich auf ein ungewohntes Weihnachtsfest vor. Der Theologe Tobias Aldinger schlägt vor, an Weihnachten online, analog und karitativ neue Wege zu gehen.

Obdachloser an Weihnachten / © Drakkadr (shutterstock)

KNA: Wie wird die katholische Kirche und wie werden wir alle in diesem Jahr unter Corona-Bedingungen Weihnachten feiern?

Tobias Aldinger (Theologe, Erzbistum Freiburg): Die Abstands- und Hygiene-Regeln zum Gesundheitsschutz werden einiges verändern. Wir werden merken, wir können nicht so weitermachen wie es immer war. Darin könnte die Chance liegen zu fragen, wie können wir für andere da sein? Was feiern wir eigentlich? Wofür steht Weihnachten jenseits von Geschenken, Glühwein-Trubel und Weihnachtsmärkten?

KNA: Wofür also?

Aldinger: Eine zentrale Botschaft ist: Gott wird Mensch und will uns nahe sein. Dazu wollen wir Räume der Begegnung schaffen. Und uns zum Beispiel um einsame Menschen in unseren Gemeinden kümmern. Und aus dem Gruß des Engels "Fürchtet Euch nicht!" erwächst der Auftrag, Hoffnung und Vertrauen durch konkrete Zeichen zu säen.

KNA: In den nächsten Wochen bieten Sie Online-Seminare an, um kirchlich Engagierte und Seelsorger miteinander ins Gespräch zu bringen. Insgesamt haben sich schon mehr als 500 Interessierte aus ganz Deutschland angemeldet. Worum geht es dabei?

Aldinger: Wir wollen bei der Suche nach passenden Lösungen vor Ort Unterstützung und erste Inspiration anbieten. Dazu stellen einzelne Engagierte vor Ort Ideen vor. Dabei geht es nicht um ein Schaulaufen, wer die spektakulärsten Ideen hat. Sondern wir organisieren mit den Beiträgen der Teilnehmenden eine Plattform zum Austausch.

KNA: Welche Ideen werden Sie beispielsweise vorstellen?

Aldinger: Einige Gemeinden wollen das Krippenspiel aus der Kirche auf die Straße verlegen, mit mehreren Stationen. Da wird die Weihnachtsgeschichte des Unterwegsseins, die Herbergssuche und die Geburt in prekären Verhältnissen vielleicht neu erlebbar. In Pforzheim ist ein ökumenisches Advents-Singen und ein Weihnachtsgottesdienst im Fußballstadion geplant, wo die Abstands-Hygiene-Regeln auch mit vielen Teilnehmern eingehalten werden können. Eine Gemeinde hat vor, Teile des Gottesdienstes zu filmen, aufzuzeichnen und auf die Stadtmauer zu projizieren.

KNA: Wollen Sie so mehr Menschen erreichen als mit den traditionellen Weihnachtsgottesdiensten?

Aldinger: Es wäre falsch, dies als eine Art Werbestrategie auszugeben. Viel wichtiger ist, dass die Engagierten vor Ort breit und gut kommunizieren, was sie planen und anbieten. Es entspricht zum Beispiel nicht dem Geist der Weihnacht, wenn nur Kirchen-Insider die verfügbaren Plätze in der Kirche reservieren und andere, die nicht jeden Sonntag zum Gottesdienst kommen, abgewiesen werden. Ich sehe stattdessen unseren Auftrag, in diesen Zeiten Hoffnung, Vertrauen und Solidarität zu fördern und zu verkünden.

KNA: Und was ist mit den Online-Streaming-Angeboten, die viele Gemeinden aus der Corona-Not heraus gestartet haben?

Aldinger: Voraussichtlich wird es auch an Weihnachten - wie ja schon zu Ostern - viele Streams geben. Wir werden zentrale Bistumsangebote machen - nicht allein die feierlichen Gottesdienste mit dem Bischof aus dem Münster, sondern auch einen Familiengottesdienst, eine Krippenfeier. Dazu kommen die dezentralen Online-Angebote aus vielen Gemeinden.

KNA: Wie steht es mit Gebeten, Gottesdiensten im Kreis von Familie oder Nachbarschaft?

Aldinger: Auch hierzu wollen wir ermutigen. Es wird über unsere Internetseite Vorlagen für Hausgebete und Gottesdienste zu Hause geben. Auch bieten wir im Baukastenprinzip Elemente für Feiern in der Nachbarschaft an. Vielleicht beispielsweise ein gemeinsames Singen auf der Straße. Oder das Weitergeben einer Kerze. Auch hier geht es darum, eine Plattform für Ideenaustausch zu geben.

KNA: Das alles konzentriert sich auf Gottesdienste und Gebetsfeiern. Was ist mit der karitativen Botschaft von Weihnachten? Nicht wenige kritisieren, in der Corona-Zeit hätten die Kirchen versagt und Kranke und Sterbende alleine gelassen.

Aldinger: Diese Fundamentalkritik teile ich nicht. Es gab sehr viel Begleitung und Seelsorge unterhalb des öffentlichen Radars. Aber die soziale, karitative Dimension von Weihnachten spielt bei unseren Überlegungen eine zentrale Rolle. Wir wollen dazu ermutigen, Kontakte und Begegnungen zu suchen, mit Menschen, die nicht von sich aus kommen oder einsam sind.

KNA: Wie könnte dies aussehen?

Aldinger: In vielen Gemeinden gibt es dazu schon Planungen: Beispielsweise Telefonketten oder ein Seelsorge-Telefon über die Feiertage. Jugendgruppen könnten einen kleinen Gruß an die Haustüren bringen - was die Sternsinger dann im Januar fortsetzen werden. Bei unserem Online-Info-Treffen wird auch eine Ehrenamtliche berichten, wie sie ihr traditionelles Weihnachtsessen für Einsame und Arme unter Corona-Bedingungen organisiert.

Das Interview führte Volker Hasenauer.


Quelle:
KNA