Eigentlich ist Papst Franziskus schon für 11.30 Uhr angekündigt. Aber es dauert und dauert, bis er endlich die Audienzhalle im Vatikan betritt. Umso lauter fällt der Applaus der Menschen aus, die er zum Ende des Heiligen Jahres und damit gleichsam als Höhepunkt sehen wollte: Obdachlose und von Wohnungslosigkeit und Armut bedrohte Menschen.
Es sind jene armen Schlucker, von denen viele sonst am Petersplatz und in den Straßen rund um den Vatikan betteln, die nun in seinen Mauern vom Papst persönlich begrüßt werden. 5.000 Bedürftige aus ganz Europa und davon 600 aus Deutschland sind meist mit Caritas-Organisationen zu diesem "Europäischen Jubiläum der Barmherzigkeit" angereist, das noch bis Sonntag dauert.
"Ein besonderer Traum"
Für Heinz K. aus Bonn erfüllt sich ein besonderer Traum. Der frühere Gartenhelfer hat einige Jahre "Platte komplett" - mit Nächten unter Eiben und in U-Bahn-Schächten. Jetzt lebt er mit Unterstützung in einer eigenen Wohnung. Die Caritas im Erzbistum Köln hat ihm die Rom-Reise ermöglicht. Die 20-Stunden-To(rt)ur im Bus hat Heinz gerne auf sich genommen, um einmal all das live zu sehen, was er sonst nur aus dem Fernsehen kennt: den Petersplatz, den Petersdom und natürlich den Papst. Seine Gehbehinderung beschert ihm lästige Beschwerden, diesmal aber auch ein bisschen Glück. Mit seinem Rollstuhl bekommt er einen der vorderen Plätze. Und so kommt es, dass er zu den wenigen in der Aula gehört, denen Franziskus die Hand reicht.
Der Papst hält in der Aula eine Ansprache auf Spanisch. Doch Heinz K. und die anderen 150 Pilger aus dem Rheinland und dem Ruhrgebiet bekommen nur wenig davon mit. Denn der Übersetzer liefert ihnen über das kleine Audio-Gerät nur ein paar wenige Fetzen in Deutsch. Wörter wie Solidarität, Würde, Hilfe oder Christus sind zu hören - und jeder weiß, was dieser Papst meint, der eine "arme Kirche für die Armen" will.
Papst berührt physisch
Ohnehin ist es mehr die Körpersprache, die auf die special guests im Vatikan wirkt. Der Papst berührt nicht nur innerlich die Menschen, sondern auch physisch - indem er dem einen mit seiner Hand über den zerzausten Kopf streicht oder den anderen fest am Arm greift. Ein Obdachloser wendet sich stellvertretend für alle in einer kurzen Rede an Franziskus - und der bald 80-Jährige steht auf und bedankt sich mit einer Umarmung. Diese kleine Geste des Papstes kommt bei allen an und lässt die Leute jubeln.
Es ist die Art von Franziskus, die auch Michael anspricht. "Seine Stimme wirkt zerbrechlich, nicht wie ein Feldherr." Und doch äußere er sich klar und deutlich. Seine Einschätzung passt zu der ganzen Atmosphäre dieser Begegnung, die weniger in Jubelstimmung ausartet und fast besinnlich endet. Aber das kann sich alles noch ändern. Am Sonntag werden die Pilger aus dem Rheinland und aller Welt mit dem Papst einen Gottesdienst im Petersdom feiern. Dann werden sie zu den letzten Menschen gehören, die die zum Heiligen Jahr geöffnete "Pforte der Barmherzigkeit" durchschreiten. Denn eine Woche später wird sie verschlossen.