Wolfgang Bosbach kündigt Rückzug aus der Politik an

Der Überzeugungstäter geht

Er zählt zu den profiliertesten Köpfen in der deutschen Politik: CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach. Nun kündigte der überzeugte Katholik an, sich 2017 zurückzuziehen.

Autor/in:
Renardo Schlegelmilch
Wolfgang Bosbach / © Jens Wolf (dpa)
Wolfgang Bosbach / © Jens Wolf ( dpa )

Wolfgang Bosbach hatte nie Scheu, deutlich seine Meinung zu sagen, auch wenn sie nicht der Linie seiner Partei und der Regierung entsprach. Als Abweichler wird er oft bezeichnet - in Talkshows aber auch seiner eigenen Bundestagsfraktion. Am Montag kündigte Bosbach vor seinem Kreisverband an, bei der Bundestagswahl 2017 nicht mehr anzutreten: Aus professionellen und persönlichen Gründen.

Diese Entscheidung trug er schon länger mit sich herum. Im vergangenen Jahr sagte er im domradio.de-Interview: "Ich denke darüber nach, wie es weiter gehen soll. Mit dem Spagat der letzten Jahre möchte ich so nicht weiterleben. Das fällt mir zunehmend schwer. Es geht ja nicht darum, dass ich immer gegen die Linie der Regierung stimme. Ich bekomme dann noch dusselige Kommentare wie ‘Ach, sie haben was gegen die Kanzlerin.‘ Den Unsinn kann ich nicht mehr hören. Ich muss mir jeden Tag den Satz verkneifen: ‘Leute, ich hab es euch von Anfang an gesagt, so wird das nicht funktionieren!‘"

Ob bei der Flüchtlingspolitik, dem EU-Rettungsschirm oder der Finanzkrise: Wolfgang Bosbach hat eine deutliche Meinung. Eine Meinung, die seiner Ansicht nach nicht mehr der Mehrheit der CDU entspricht. Seit Jahren hadert er damit. Am Montagabend dann die Rede vor dem Kreisverband der CDU im Rheinisch-Bergischen Kreis: "In einigen wichtigen politischen Fragen kann ich die Haltung meiner Partei nicht mehr mit der Überzeugung vertreten, wie ich sie gerne vertreten würde."

Partei wichtiger als der einzelne Politiker

Besonders stört Bosbach dabei die Bezeichnung "Abweichler": "Denn im Grunde bin ich ja nur dabei geblieben, was die CDU jahrelang gesagt hat. Ich habe meine Meinung nie geändert. Und trotzdem stimmt die Bezeichnung ‘Abweichler‘ natürlich auch. Mir war klar: Stimmst du nicht mit der Mehrheit, gibt es Probleme. Mir war allerdings nicht klar, wie schnell das ins Persönliche gehen würde." Das sagte Bosbach bereits im Jahr 2011, seitdem hat sich dieser Eindruck bei ihm nur verstärkt.

Eine große Volkspartei wie die CDU müsse seiner Überzeugung nach auch einen Dissens ertragen können und unterschiedliche Standpunkte zu wichtigen Themen. Besonders der Euro-Rettungsschirm ist da für den Politiker ein großes Thema. Er sagt aber: Im Endeffekt ist die Partei wichtiger als der einzelne Politiker. Bosbach: "Aber dann hast du sofort ein Problem, weil gesagt wird: ‘Wir sind eine große Kameradschaft in der Fraktion, wir müssen zusammenhalten. ‘ Jeder, der sich aus dieser Gemeinschaft weg begibt, der macht der Fraktion Probleme. Ich will kein Problemfall sein. Ich möchte ein guter Kollege sein und der Partei helfen. Wenn man aber das Gefühl vermittelt bekommt, man müsse sich entscheiden zwischen der Fraktion und seiner Überzeugung, dann steckt man in der Zwickmühle."

Verantwortung als Christ

Bei seiner Rücktrittsentscheidung spielt dabei auch der christliche Hintergrund der Partei eine Rolle. Das C in der CDU dürfe nicht vergessen werden, sagt Bosbach: "Das ‘C‘ bedeutet für mich einen konkreten Handlungsaufruf. Christen haben eine besondere Verantwortung in der Gesellschaft. Diese Verantwortung müssen sie auch wahrnehmen. Es gibt immer wieder Entscheidungen, wo man sich fragen muss: ‘Stimmt das mit meiner christlichen Überzeugung überein.‘"

Und das drückt sich auch in den einzelnen politischen Debatten und Entscheidungen aus, sagt Bosbach. "Das ist die Debatte über Stammzellforschung, die Präimplantationsdiagnostik. Wenn Sie vor fünf oder zehn Jahren gefragt hätten: Wo steht die CDU bei diesen Fragen, hätte ich Ihnen das sofort beantworten können. Heute ist das viel schwieriger geworden, weil es kaum eine Haltung dazu in meiner Partei nicht gibt."

Bis zur Bundestagswahl 2017 werde er, so Bosbach, sein Amt noch mit voller Kraft ausüben. Für seinen Rückzug im kommenden Jahr bringt er auch sehr persönliche Gründe an. Ob die mit seiner Krebserkrankung zu tun haben, unter der er seit Jahren leidet, bleibt offen. Es sind aber wohl hauptsächlich die politischen Gründe, die zum Rückzug führen: "Ich möchte nicht immer gegen meine Regierung stimmen. Ich möchte aber auch nicht gegen meine Überzeugung stimmen. Deshalb habe ich ein Problem. Das ist mein Problem und das muss ich auch ganz alleine lösen. Wenn es so weit ist, sage ich Bescheid!" Diesen Bescheid hat er nun erteilt.


Quelle:
DR