Wusste der Papst von Fernandez' Buch über Orgasmen?

Oberster Glaubenshüter in der Kritik

Ein Buch über Spiritualität und Orgasmen steht seit Tagen in der Kritik, vor allem der oberste Glaubenshüter des Vatikans. Kardinal Fernandez hatte bereits mit diesen Schlagzeilen gerechnet und auch der Papst wusste wohl von dem Werk.

Befürchtete schon früh eine falsche Interpretation seines Buches: Victor Manuel Fernandez / © Natacha Pisarenko (dpa)
Befürchtete schon früh eine falsche Interpretation seines Buches: Victor Manuel Fernandez / © Natacha Pisarenko ( dpa )

Laut vatikanischem Chefdogmatiker Kardinal Victor Fernandez wusste Franziskus schon länger von dem Buch seines obersten Glaubenshüters über Spiritualität und Orgasmen. Seit Tagen steht Fernandez für das rund 25 Jahre alte Werk "Die mystische Leidenschaft" in der Kritik.

Am Freitag erklärte der Kardinal in einem Interview mit der spanischen Agentur EFE, er habe dem Papst vor seiner Ernennung zum Präfekten des Glaubensdikasteriums davon erzählt. Der Papst aber sei sich des Buches und möglicher Konsequenzen bereits bewusst gewesen.

"Bis in die Haarspitzen untersucht"

"Zufälligerweise wurde ich schon einmal vor vielen Jahren wegen dieses Buches angezeigt und in Rom nicht dafür sanktioniert. Ich bin bereits bis in die Haarspitzen untersucht worden", so der argentinische Kardinal, der seit September die Glaubensbehörde im Vatikan leitet.

Auch er selbst habe die aktuellen Angriffe auf seine Person kommen sehen: "Sie warteten nur auf die richtige Gelegenheit." Bemerkenswert sei das Buch aber, "weil es das Ergebnis einer Untersuchung über den männlichen und weiblichen Orgasmus ist, die ich mit einer Gruppe von Ehepaaren durchgeführt hatte". Dabei habe er herausfinden wollen, ob die unterschiedlichen Formen der Orgasmen einen Einfluss auf das jeweilige Verhältnis zu Gott hätten.

Franziskus' ehemaliger Ghostwriter

Er sei aber nicht der Erste, der sich mit dieser Thematik befasst habe. Die Heiligen Papst Johannes Paul II. und Hildegard von Bingen hätten dies schon vor ihm getan, so Fernandez. Aus welchem Antrieb das bei ihnen geschah, wüsste er aber nicht.

Im Sommer 2023 hatte Papst Franziskus seinen früheren Ghostwriter und argentinischen Landsmann Fernandez zum Leiter der vatikanischen Glaubensbehörde ernannt. Bald darauf griffen konservative Online-Medien, vor allem aus den USA, den bisherigen Erzbischof von La Plata an. Sie stellten seine Kompetenz infrage, indem sie ihm vorhielten, in seiner Zeit als Jugendseelsorger ein Buch über das Küssen geschrieben zu haben. Fernandez selbst bezeichnete dieses Buch als katechetisch, nicht theologisch. Mit "Die mystische Leidenschaft" geriet der Kardinal nun erneut in die Kritik.

Dikasterium

Als Dikasterien werden die Zentralbehörden der vatikanischen Kurie bezeichnet. Sie sind vom Papst mit der Leitung der katholischen Kirche beauftragt. Zu ihnen zählen etwa das Staatssekretariat oder die kirchlichen Gerichtshöfe.

Präfektur für wirtschaftliche Angelegenheiten / © Romano Siciliani (KNA)
Präfektur für wirtschaftliche Angelegenheiten / © Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
KNA