ZdK-Generalsekretär zur Einmischung der Kirche in die Politik

"Wir sind als Kirche immer schon da"

Inwiefern sollte sich die Kirche in die Politik einmischen? Am besten gar nicht, meint Bundestags-Vizepräsident Johannes Singhammer von der CSU. Dem widerspricht ZdK-Generalsekretär Stefan Vesper jedoch vehement.

Deutsche Bischöfe haben auch politisch etwas zu sagen / © Arne Dedert (dpa)
Deutsche Bischöfe haben auch politisch etwas zu sagen / © Arne Dedert ( dpa )

domradio.de: Bundestags-Vizepräsident Johannes Singhammer hat vor kurzem gesagt, die Kirche solle bei ihrer Seelsorge bleiben und den Politikern die Politik lassen. Auch sein CSU-Kollege Markus Söder hatte sich entsprechend ausgedrückt. Sie entgegnen, was die beiden CSU-Politiker kritisieren, sei nicht die politische Einmischung der Christen, sondern die der Bischöfe. Was ist denn da der Unterschied?

Stefan Vesper (Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken): Ich kritisiere erst einmal, dass Herr Singhammer in dem Artikel, den er geschrieben hat, Bischof und Kirche gleichsetzt. Natürlich haben die Bischöfe eine sehr wichtige Aufgabe in unserer Kirche, und niemand kann und wird das bestreiten. Aber das ganze Volk Gottes ist die Kirche. Nicht nur Bischöfe sind aufgerufen, sich hier und da politisch zu äußern, sondern vor allem wir Laien sind aufgefordert, Kirche an den Stellen und in den Umständen sichtbar zu machen, wo wir sie nur alleine hinbringen können. Das ist eben zum Beispiel die Politik - als aktive Politikerin und aktiver Politiker, in Parteien und Organisationen. Und da ist unser Wort, meine ich, gefragt. 

domradio.de: Heißt im Unterschied dann quasi: Bischöfe sollen sich zurückhalten und Laien sollen die Politik machen?

Vesper: Nein, man sollte als Bischof natürlich sein Wort erheben. Man muss sein Wort erheben. Wie der Kölner Erzbischof Kardinal Woelki das tut, findet natürlich meine ganze Zustimmung. Insgesamt sind die Bischöfe in ihrer Erklärungen vielleicht ein bisschen zu detailliert, gerade wenn es dann Fachleute aus dem Laienstand geschrieben haben. Bei so manchen Erklärungen fragen wir uns, ob das dann nicht manchmal zu fachspezifisch ist. Aber das moralisch-ethische Wort darf niemand der Kirche nehmen, weder den Bischöfen noch den Laien. Und wir haben ja viele Mitglieder der KAB, von Kolping, dem Frauenbund oder dem BDKJ - also von katholischen Organisationen -, die sich in Gruppen und Initiativen, aber auch in politischen Parteien engagieren. Denen sollte man nicht das Wort verbieten wollen.

domradio.de: Jetzt gibt es aber eine Ecke der Katholiken, die sagt: Kümmere dich doch lieber um die Seelsorge und halte dich aus der Politik raus. Die Seelsorge ist ja die Hauptaufgabe für einen Bischof. An dem Argument ist doch auch was dran, oder?

Vesper: Seelsorge hat ja immer mit konkreten Menschen zu tun. Natürlich lautet die große Gottesfrage, die Frage nach dem Sinn des Lebens, nach der Zukunft, nach Tod und Trauer, aber auch nach Freude und Miteinander. Das sind natürlich große Fragen, die uns als Kirche bewegen. Und zwar uns alle: Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien. Das menschliche Miteinander und gerade auch die Fragen nach Solidarität und Gerechtigkeit fordern unseren gemeinsamen Einsatz. Man kann nicht einfach sagen: Macht ihr eure Arbeit am Sonntagmorgen, den Rest der Woche habt ihr als Kirche nichts zu sagen. Wir wollen ja das ganze Leben wie einen Sauerteig mitbefruchten und mitgestalten. Ich bin ganz dagegen, dass man uns verbieten will uns einzumischen. Wir sind als Kirche immer schon da: in den Menschen, die für Gerechtigkeit eintreten, die sich für Flüchtlinge engagieren, die sich bei der Caritas für die Armen und Schwachen engagieren, die darauf achten, dass die Menschen nicht unter die Räder kommen. Überall ist Kirche da, egal was dieser Mensch für ein Amt in der Kirche hat. Und das ist auch gut so.

domradio.de: Die beiden Politiker die das kritisieren, Söder und Singhammer, sind beide in Bayern bei der CSU. Das ist eine Partei, die aufgrund der Flüchtlingslage sowieso ein bisschen im Konflikt mit der Kirche steckt. Ist da vielleicht noch mehr dahinter?

Vesper: Ich weiß zum Beispiel von Johannes Singhammer, wie sehr er sich als aktiver katholischer Christ im Bundestag einsetzt. Er ist ja Vizepräsident des Bundestages. Ich glaube, dass man den Einzelnen auch in der CSU, die sich hier engagieren, gar keine falschen Vorwürfe machen sollte. Natürlich ist es nicht richtig, uns als Kirche zu sagen: Haltet euch raus. Aber ich würde sagen, dass jeder auf seine Weise versucht, unsere Zeit mitzugestalten und für die Gerechtigkeit und ein gutes Gemeinwohl hier im Lande einzutreten. Darüber können wir uns auch manchmal streiten. Aber unser christlicher Glaube hat eben auch Auswirkungen, die über den Besuch des Gottesdienstes hinausgehen. Und wenn wir uns mal streiten, gehört dazu, dass wir uns nachher wieder versöhnen.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.


Stefan Vesper / © Harald Oppitz (KNA)
Stefan Vesper / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR