ZdK kritisiert Ergebnisse des Rentengipfels

"Nur Lippenbekenntnisse"

Nach ihrem Rentengipfel ist sich die Große Koalition über zentrale Punkte noch uneins. Klar ist bisher nur, dass die Renten in Ost und West bis 2025 voll angeglichen werden sollen. Das ZdK zeigt sich von den bisherigen Ergebnissen enttäuscht.

Rentner / © Arne Dedert (dpa)
Rentner / © Arne Dedert ( dpa )

domradio.de: Sind Sie einigermaßen zufrieden mit der Einigung der Großen Koalition?

Hildegard Müller (Sprecherin des Sachbereichs Wirtschaft und Soziales im Zentralkomitee der deutschen Katholiken/ZdK): Es sind natürlich richtige und wichtige Schritte wie beispielsweise das Thema Erwerbsunfähigkeit oder auch die Frage der betrieblichen Altersvorsorge angesprochen worden. Insgesamt sind wir aber enttäuscht. Die große Herausforderung beim Rentenversicherungssystem ist insbesondere ab dem Jahr 2030, für die heute junge Generation das Vertrauen in die Rentenversicherung zu erhalten. Dafür ist uns das jetzt vorgelegte Papier in vielen Bereichen zu unkonkret.

domradio.de: Viele Menschen haben Angst vor Altersarmut. Was müsste Ihrer Meinung nach in der Rentenpolitik noch passieren, um dieser Angst zu begegnen?

Müller: Zunächst einmal ist diese Angst völlig verständlich. Die Sicherung der großen Lebensrisiken ist eine der zentralen Aufgaben unseres Sozialstaates. Der soziale Frieden der Vergangenheit hing auch damit zusammen, dass wir in Gesundheit, Pflege und insbesondere in der Rente eine Vorsorge hatten. Jetzt stehen wir vor einer sehr großen Herausforderung der demografischen Veränderung. Rentendebatten sind übrigens nach meiner Erfahrung immer dazu geeignet, die amtierende Rentnergeneration zu verunsichern und werden ein bisschen dazu genutzt, in Wahljahren teure politische Geschenke zu machen.

Ich will ausdrücklich sagen, dass der Fokus künftiger Rentenreformen insbesondere die junge Generation ins Auge nehmen muss. Natürlich gibt es aktuelle viele wichtige Punkte. Aber die zentrale Frage, wie die veränderte Lebenserwartung der jungen Generation gepaart mit der Tatsache, dass wir zu wenig Kinder in diesem Land haben, aussieht, muss nun konkret angegangen werden, weil man auch lange Übergangszeiträume hat. Das Schlimmste wäre, wenn das Vertrauen der jungen Generation verloren geht, sie also das Gefühl haben, sie zahlen Beiträge ein, werden aber später keine adäquate Vorsorge bekommen. Das könnte erheblich zur Destabilisierung beitragen.

domradio.de: Nicht einigen konnten sich die Politiker, wie tief das Rentenniveau sinken soll. Aktuell liegt es bei 48 Prozent. Glauben Sie, eine bezahlbare Perspektive ist möglich?

Müller: Ich glaube, dass wir doppelte Haltelinien brauchen. Zum einen ist natürlich zu beachten, dass das Mindestrentenniveau nicht unter einen bestimmten Punkt absinken darf. Hier muss es eine klare Festlegung geben, damit das Vertrauen der jungen Generation erhalten werden kann. Auf der anderen Seite sehen wir auch die Frage der Belastung des Arbeitsmarktes und damit auch die Frage, wie hoch die Sozialversicherungsbeiträge sein sollen. Jetzt kann man sagen, dies sei ein "Wünsch-dir-was-Szenario". Das ist es aber nicht, weil es hier konkrete Möglichkeiten gäbe. Ich erwarte, dass die Politik hier auch konkrete Lösungen vorlegt.

domradio.de: Wie stehen Sie zu einer Pflichtversicherung von Selbstständigen und Beamten, um die Rentenlast auf alle Schultern zu verteilen?

Müller: Beamte sind ja versichert. Es gibt zwei verschiedene Aspekte. Die eine Frage ist beispielsweise, ob Selbständige ausreichend versichert sind oder nicht. Hier ist es, glaube ich, wichtig, auf jeden Fall eine Versicherungspflicht einzuführen. Wir haben auch bei den Selbständigen eine adäquate Altersvorsorge. Das ZdK hat sich für einen Prüfauftrag ausgesprochen. Ob das zu einer Einzahlung in die gesetzliche Rentenversicherung oder in ein anderes Sicherungsinstrument führt, ist offen. Wir machen das Problem alleine nicht kleiner, indem wir mehr Menschen in das System hineinpressen. Die werden natürlich auch Anwartschaften haben. Deshalb sind die Strukturreformen und die Konzentration auf die wichtigen Dinge das, was jetzt sein muss. Da hat mir der bisherige Beschluss noch zu viele Prüfaufträge. Offenkundig konnte man sich nicht weitergehend einigen.

domradio.de: Gäbe es denn etwas, was Sie sich wünschen würden?

Müller: Ich würde mir wünschen, dass wir heute auch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes umsetzen, das gerade Familien mit Kindern in der Phase der Kindererziehung von Sozialversicherungsbeiträgen freier stellen und ihnen stattdessen Anwartschaften in der Rentenversicherung gutschreiben. Ich glaube, das sind wichtige Punkte. Wenn wir mehr Kinder wollen, dann muss sich der Staat nicht nur auf Lippenbekenntnisse zurückziehen, sondern konkret handeln.

Das Interview führte Silvia Ochlast.


Hildegard Müller / © Harald Oppitz (KNA)
Hildegard Müller / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR