ZdK-Präsident zur geringen Teilnehmerzahl beim Friedensmarsch in Köln

"Stigmatisierung ist Unfug"

Tausende Menschen haben in Köln gegen Terror demonstriert - auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken. Für ZdK-Präsident Sternberg war die geringe Zahl nicht nachvollziehbar.

Auf Transparenten stellen Demo-Teilnehmer ihr Glaubensgrundsätze dar / © Matthias Milleker (DR)
Auf Transparenten stellen Demo-Teilnehmer ihr Glaubensgrundsätze dar / © Matthias Milleker ( DR )

domradio.de: Es sollte ein Signal gegen den Terror werden. Am Samstag sind tausende Menschen unter dem Motto "Nicht mit uns" in Köln auf die Straße gegangen und haben demonstriert. Mal war die Rede von 2000 Demonstranten, mal von 3500. Waren es Ihrer Ansicht nach genug?

Professor Dr. Thomas Sternberg (Präsident des Zentralkomitees): Nein, es hätten mehr sein sollen und können. Aber nachdem nicht nur der Islam-Verband Ditib, sondern noch ein anderer großer islamischer Verband abgesagt hatte, war das im Grunde abzusehen. Der Zentralrat der Muslime hatte sich zwar stark an die Demonstration angebunden, aber damit werden keine Massen an Moscheegemeinden motiviert und mobilisiert.

domradio.de: Der Islam-Verband Ditib hatte ihre Absage damit begründet, dass "muslimische Anti-Terror-Demos" die Muslime stigmatisierten und: Während des Friedensmonats Ramadan sei eine derartige Demo "unzumutbar". Schwer nachzuvollziehen, oder?

Sternberg: Die Ramadan-Argumentation kann ich schwer beurteilen, weil ich das nicht kenne. Ich bewundere, dass die Gläubigen während des Ramadans, der manchmal in einen Hochsommermonat fällt, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang nichts essen und trinken. Das andere ist der Punkt der Stigmatisierung des Islam: Das halte ich für Unfug. Es geht nicht darum, dass hier irgendeine Religion stigmatisiert wird.

Es geht darum, dass Terrortaten verübt werden - angeblich im Namen einer Religion. Diese Taten geschehen natürlich nicht wirklich im Namen der Religion, sondern sie pervertieren Religion und nutzen sie aus. Aber unter Missbrauch der Gottesnamens wird dort im Namen Gottes gemordet. Und das muss den schärfsten Widerstand aller religiösen Menschen hervorrufen.

domradio.de: Im Internet wurde auch heiß diskutiert, dass Christen bei der Demo mitgehen. Mussten Sie sich ebenfalls Vorwürfe anhören, warum denn Katholiken bei einer muslimischen Demo mitgehen?

Sternberg: Natürlich nicht. Es ist keine rein islamische Angelegenheit. Es geht darum, dass wir uns gemeinsam als gläubige Menschen - also auch als gläubige Christen, Juden und Muslime - gegen die Ausnutzung und Pervertierung von Religion wenden. Hier wird den Leuten Munition geliefert, die behaupten, dass Monotheismus generell etwas mit Gewalt zu tun hat - ein großer Unfug und eine Missdeutung der Geschichte. Wir müssen dagegen vorgehen, wenn Religion für Gewalt missbraucht wird.

Das Interview führte Tobias Fricke.


Thomas Sternberg  / © Melanie Trimborn (DR)
Thomas Sternberg / © Melanie Trimborn ( DR )
Quelle:
DR