"Sorget Euch um Eure Kleidung", zitierte der Westdeutsche Rundfunk etwas verändert ein Bibelwort und strahlte am Heiligabend des Jahres 2009 eine Radiosendung über Design und Auswahl päpstlicher Gewänder aus. Die evangelische Autorin befragte für ihren Beitrag Vatikankenner, Historiker und Paramentenschneider. Über einen Mangel an Zuhörern konnte sich der Sender an diesem Tag nicht beschweren. Selbst der Podcast des 15-minütigen Features wurde ungewöhnlich häufig auf den heimischen Computer, auf ein Notebook oder den iPod heruntergeladen. Was der Papst, ja was man überhaupt in der so geheimnisumwitterten Welt des Vatikans trägt, scheint für die Öffentlichkeit von Interesse zu sein.
Besonders die roten Lederschuhe Benedikts XVI. (2005-2013) sorgten für Aufsehen und ließen die Gerüchteküche brodeln. Immer wieder stellten Zeitungen und Magazine die Frage: "Trägt der Papst Prada?" Dass die eleganten Schuhe des katholischen Kirchenoberhauptes mit der Luxusmarke eines Mailänder Modehauses gleichgesetzt werden, darüber war man im Vatikan nicht sehr glücklich. Manchmal reagierte man in der römischen Kirchenzentrale voreilig und ließ sich im religiösen Übereifer zu einer unzutreffenden Antwort hinreißen. "Natürlich stimmt dies nicht, der Banalität unserer Zeit fällt es nicht einmal auf, dass die rote Farbe einen deutlichen Bezug zum Martyrium besitzt", gab ein vatikanischer Pressevertreter zum Besten. Aber nicht nur Erwachsene blicken fasziniert auf das Schuhwerk des Papstes und wollen ihre Neugier gestillt wissen, auch das jüngere Publikum möchte informiert sein – "Warum trägt der Papst rote Schuhe? Kinderfragen an Benedikt XVI." lautet der Titel eines Buches, das eine Redakteurin der deutschsprachigen Abteilung von Radio Vatikan herausgab.
Besondere Fußbekleidung als Standestracht
Die Antwort darauf dürfte im Rom der Antike zu finden sein. Den Senatoren und Konsuln des Imperium Romanum kam eine besondere Fußbekleidung als Standestracht zu, in nachrepublikanischer Zeit ging dieses Recht auf die Cäsaren über. Den römischen Kaisern war es vorbehalten, den Purpur zu tragen, und somit auch Schuhe von roter Farbe. Als die Kirche im 4. Jahrhundert nach langen Zeiten der Verfolgung vom Staat als Religion toleriert wurde und dann sogar eine privilegierte Stellung im Römischen Reich einnahm, wurden von ihr Kleidung und Insignien übernommen, die am kaiserlichen Hof üblich waren. Papst und Bischöfe waren nun in vielem wie der Kaiser und seine höchsten Beamten gekleidet.
Mit der steigenden Bedeutung des Papsttums reservierte sich der Bischof von Rom für seine zeremonielle Gewandung – Mantel und Schuhe – die rote Farbe. Bei Huldigungen, Obödienzakten und Audienzen gewannen die Schuhe des Papstes an Bedeutung. In Nachahmung der an den Höfen altorientalischer Potentaten gebräuchlichen Sitten wurde in Rom der Fußkuss üblich. Um aber zu zeigen, dass diese außergewöhnliche Form der Unterwerfung und Verehrung letztendlich einer höheren Autorität als ihrer eigenen zukam, ließen die Päpste an der Stelle des Schuhs, die von den Lippen berührt wurde, ein Kreuz anbringen. Erst im vergangenen Jahrhundert wurde der Fußkuss aus dem päpstlichen Zeremoniell gestrichen.
Die Werkstatt von Adriano Stefanelli
Schon sehr früh, nachweislich seit dem 5. Jahrhundert, fand eine besondere Fußbekleidung auch in der Liturgie Verwendung. Bei der festlichen Feier der heiligen Messe legten Papst, Bischöfe und Äbte die so genannten Pontifikalschuhe an. Als Jesus die zwölf Apostel, die ersten Bischöfe, aussandte, gebot er ihnen, außer einem Wanderstab nichts mitzunehmen, "keine Vorratstasche, kein Geld im Gürtel, kein zweites Hemd, und an den Füßen nur Sandalen" (Mk 6,9). In seinem Brief an die Epheser ermahnt der heilige Paulus dazu, beschuht zu sein, um die Frohe Botschaft zu verbreiten (Eph 6, 15). Das Gebet, das beim Anlegen der Pontifikalschuhe gesprochen wurde, erinnerte an diese Bibelworte: "Beschuhe, o Herr, meine Füße zur Verkündigung des Evangeliums des Friedens und beschirme mich mit dem Schirm Deiner Fittiche". Erst mit den Reformen, die auf das II. Vatikanische Konzil (1962-1965) folgten, verschwanden die Pontifikalschuhe aus dem liturgischen Leben der Kirche.
Die Schuhe, die Papst Benedikt XVI. trug, stammen größtenteils aus der Werkstatt von Adriano Stefanelli, eines bekannten Schuhdesigners aus dem norditalienischen Novara. Signor Stefanelli hatte schon Schuhe für Johannes Paul II. (1978-2005) in den Apostolischen Palast geliefert. Die Idee, Johannes Paul II. eine seiner Kreationen zu widmen, war entstanden, als er an einem Karfreitag die "Via Crucis" des Heiligen Vaters beim Kolosseum am Fernseher mitverfolgt hatte: "Es schmerzte mich zu sehen, wie der Papst beim Gehen des Kreuzweges litt. Mir kam spontan der Gedanke, ihm Erleichterung zu verschaffen, ihm besonders bequeme Schuhe zu machen, weich, elastisch und ohne störende Nähte". Berührt hat ihn – und er ist auch ein wenig stolz darauf –, dass dem 2005 verstorbenen Pontifex zur Aufbahrung die Schuhe aus Novara angelegt worden waren. Für die Schuhe, die Adriano Stefanelli in den Vatikan lieferte, hat er keine Rechnung ausgestellt: "So-no doni, nessuna spesa – Es sind Geschenke gewesen, mit keinerlei Kosten verbunden".
"Papst Franziskus ist sehr bodenständig und bescheiden. Er trägt stets schwarze statt rote Schuhe, weil er sich nicht in den Mittelpunkt stellen möchte", glaubt ein katholischer Blogger zu wissen. Doch die Verwendung schwarzer, mit Schnürsenkel fest zu bindender Schuhe hat vor allem einen praktischen Grund, der für das körperliche Wohlergehen des Papstes entscheidend ist. Der Heilige Vater benötigt orthopädisches Schuhwerk. "Es wäre besser, die Glaubensbotschaft des Papstes zu hören und darauf zu achten, statt mit sekundären Aufmerksamkeitselementen das Papsttum populär zu machen, mit Schuhen, Santa Marta ...", kommentierte Gerhard Ludwig Kardinal Müller, der ehemalige Präfekt der römischen Glaubenskongregation, den Hype um die roten Schuhe des Papstes.