"Die Berichte vom Angriff von Neonazis auf das koschere Restaurant 'Schalom' in Chemnitz haben mich erschüttert", erklärte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, am Sonntag in Berlin. "Für die Versuche einiger Politiker und Vertreter der Sicherheitsbehörden, die Lage in Chemnitz schönzureden, habe ich kein Verständnis."
Schuster erklärte: "Beschwichtigungsversuche und eine mangelnde Distanzierung von Rechtspopulisten spielen genau diesen Kräften in die Hände." Das Problem müsse beim Namen genannt werden. Das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus (JFDA) bemängelte am Samstag, dass Sicherheitsbehörden nicht über den Angriff von Ende August informiert hätten. Koordinator Levi Salomon sagte in Berlin mit Blick auf die Attacke, dass der "gewaltige Fall von Antisemitismus" zeitnah von den Behörden hätte öffentlich gemacht werden müssen.
Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, erklärte am Sonntag: "Ein Angriff auf Juden ist niemals nur ein Angriff auf Juden." Er sei eine "Kampfansage an die offene Gesellschaft und die freiheitliche Demokratie" und müsse zurückgewiesen werden.
Steine, Flaschen und ein abgesägtes Stahlrohr
Wie die "Welt am Sonntag" berichtet, bestätigte das sächsische Landeskriminalamt eine entsprechende Anzeige des Wirts über den Vorfall, der sich am Abend des 27. August zugetragen haben soll. Demnach wurde das Restaurant "Shalom" von etwa einem Dutzend Neonazis angegriffen. Die vermummten, in schwarz gekleideten Täter hätten "Hau ab aus Deutschland, Du Judensau" gerufen und und das Lokal mit Steinen, Flaschen und einem abgesägten Stahlrohr beworfen.
Der Besitzer des "Schalom", Uwe Dziuballa, stammt aus einer alteingesessenen jüdischen Familie in Chemnitz. Er wurde während des Angriffs von einem Stein an der rechten Schulter verletzt. Sein Lokal wurde seit der Eröffnung im März 2000 immer wieder zum Ziel antisemitischer Übergriffe. Mal wurden Scheiben eingeschlagen, mal Hakenkreuze an die Fassaden geschmiert. Auch Schweinsköpfe musste der 53-Jährige Chemnitzer mehrfach vor seinem Lokal wegräumen. Dazu kamen wiederholt Droh- und Schmähanrufe.
Kritik an Behörden
Nach der Attacke auf das Restaurant kommt Kritik an den Sicherheitsbehörden auf. Sie hätten nicht über den Angriff informiert, bemängelte das Jüdische Forum für Demokratie am Samstag in Berlin. Koordinator Levi Salomon sagte: "Dieser gewaltige Fall von Antisemitismus hätte zeitnah von den Behörden öffentlich gemacht werden müssen." Dass die Öffentlichkeit erst Tage später von dem Überfall erfahren habe, sei ungeheuerlich, so das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus (JFDA).
Der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, zeigte sich alarmiert. "Sollten die Berichte zutreffen, haben wir es mit dem Überfall auf das jüdische Restaurant in Chemnitz mit einer neuen Qualität antisemitischer Straftaten zu tun. Hier werden die schlimmsten Erinnerungen an die dreißiger Jahre wachgerufen", sagte er.
Antisemitismus-Beauftragter Klein fordert rasche Ermittlungen
Klein forderte die sächsische Polizei und Staatsanwaltschaft auf, "nun unverzüglich und umfassend zu ermitteln und mit aller Härte gegen die mutmaßlichen Täter vorzugehen". Um die staatlichen und zivilgesellschaftlichen Maßnahmen und alle Kräfte im Kampf gegen den Antisemitismus zu bündeln, "halte ich es für wichtiger denn je, im Freistaat Sachsen das Amt eines Beauftragten für jüdisches Leben und Antisemitismusbekämpfung einzurichten." Gegen die Einrichtung eines solchen Amtes hatte es laut "Welt am Sonntag" bisher innerhalb der sächsischen CDU Widerstand gegeben.
Chemnitz steht seit Ende August in den Schlagzeilen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bezeichnete die Stimmung in der drittgrößten Stadt Sachsens vor wenigen Tagen als angespannt. Bei Demonstrationen kam es wiederholt zu Zwischenfällen. Hintergrund ist der Tod eines deutschen Mannes, der mutmaßlich von Asylbewerbern erstochen wurde.