Auch 80 Jahre später stockt ihre Stimme leicht, spürt man, wie das Geschehen der Angriffsnacht die 93-jährige nicht loslässt. Maria Wachter lebt zwar nicht mehr in Köln, doch die Zeit des Krieges in der Südstadt hat sie bis heute präsent vor Augen.
Der "Peter-und-Paul-Angriff" gilt als der heftigste der insgesamt über 250 Luftangriffe auf Köln. In der Nacht zum Apostelfest am 29. Juni 1943 warfen rund 500 Bomber zahllose Brand-, Spreng- und Phosphorbomben auf die Stadt ab.
Am Telefon schildert Maria Wachter, wie sie mit ihren Eltern und den Geschwistern damals in der Kölner Südstadt lebte. "Wir wohnten als erstes Haus neben der Ulrepforte, da war die Ulrich-Gasse noch keine Nord-Süd-Fahrt. Wenn die Sirenen gingen, hasteten wir in die Ulrepforte, die damals als Luftschutzbunker genutzt wurde."
Das mittelalterliche Gebäude, das früher Teil der Stadtmauer gewesen war, bot der katholisch geprägten Familie auch in der verheerenden Bombennacht Schutz. Als die 13-jährige dann wieder auf die Straßen trat, fiel ihr sofort die Kirche St. Paul gegenüber ins Auge: "Der Turm brannte lichterloh und dann neigte sich dieser Turm nach vorne hin, ganz, ganz langsam kippte der nach vorne über."
Verheerende Zerstörungen in der ganzen Stadt
Doch nicht nur die neugotische Kirche mit dem prächtigen Turm brannte, auch zahlreiche Wohnhäuser in der Südstadt. Die Menschen hätten versucht, ihr Hab und Gut halbwegs zu retten, doch immer wieder seien Gebäude eingestürzt: "Es war ein wahnsinniger Rauch und Flammen in den Straßen und in der Luft."
Mehr als 230.000 Menschen wurden durch den Angriff obdachlos, rund 4.300 starben. Auch das bekam die damals 13-jährige hautnah mit. Der Nachbar sei zu früh aus dem Keller gekommen und durch einen Flak-Splitter schwer am Kopf getroffen worden.
Schließlich fand Maria Wachter den Mann, den sie Onkel Karl nannte, im benachbarten Krankenhaus, dem Severinsklösterchen. Ihr Vater arbeitete dort als Arzt und versuchte auch nach dem Bombenangriff zu helfen. Der Nachbar war aber zu schwer verletzt, Maria Wachter konnte ihm nur noch beistehen: "Der ganze Flur war voll mit Verletzten und Menschen, die stöhnten. Da lag dann Onkel Karl auf einer Matte am Boden. Damals habe ich das erste Mal in meinem Leben einen Toten begleitet. Sein Blut tropfte langsam aus der Schläfe, bis es dann zum letzten Atemzug kam."
Die einstürzende Kirche, die Toten, aber auch die, die den Bombenangriff überlebt haben: all das berührt Maria Wachter bis heute.
Eine Lichtinstallation als Mahnmal
Ihr Sohn Cornel Wachter ist Künstler und arbeitet als Bildhauer und Maler. Er lebt bis heute in der Kölner Südstadt, im Severinsviertel. Seit Jahren engagiert er sich gesellschaftspolitisch für Frieden und Versöhnung. Die schwer beschädigte Kirche St. Paul wurde nach dem Krieg vereinfacht wiederaufgebaut, dem ehemals prächtigen Turm fehlen aber bis heute die drei Spitzen.
Rund um den 80. Jahrestag des Peter und Paul-Angriffs kam Wachter, der seine Karriere mit einer Ausbildung zum Steinmetz und Steinbildhauer an der Kölner Dombauhütte begonnen hat, auf die Idee, diese fehlenden Spitzen per Lichtinstallation nachzubilden. Er glaubt an die Kraft der Kunst, die die Menschen wachrütteln kann. "Wenn man so eine spektakuläre Arbeit macht, richtet man sich an die Jugend, richtet man sich an die Menschen, die das nicht erlebt haben, die nicht in dem Vorteil sind, noch Zeitzeugen zu kennen und über diese Zeit reden zu können."
Aktuell ist der Turm eingerüstet und eine Lichtinstallation nicht möglich. Als weit sichtbares Zeichen gegen Krieg und für Frieden hofft der Künstler, die Installation bald realisieren zu können - die Pfarreiverantwortlichen würden ihn unterstützen.
Die Schäden und menschlichen Verluste in Köln waren durch den "Peter-und-Paul-Angriff" immens. Maria Wachter glaubt, dass es "unbedingt notwendig" ist, an die Bombennacht zu erinnern, auch damit sich die schrecklichen Verbrechen der Nazi-Zeit nicht wiederholen. Eine weithin sichtbare Lichtinstallation auf dem Turm der Kirche St. Paul wäre da ein starkes Zeichen.