Zentralrat der Juden kritisiert neue Aiwanger-Äußerung

"Er ist es der Öffentlichkeit schuldig"

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hat die neuen Äußerungen von Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger kritisiert. Dieser lasse weiterhin Einsicht vermissen und reagiere "fast schon trotzig".

Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger in der Kritik / © Tobias C. Köhler (dpa)
Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger in der Kritik / © Tobias C. Köhler ( dpa )

Aiwanger hatte am Mittwoch zu Vorwürfen von ehemaligen Mitschülern, er habe in der Schule den Hitlergruß gezeigt und Judenwitze gemacht, Stellung genommen und erklärt, er sei "seit dem Erwachsenenalter, die letzten Jahrzehnte, kein Antisemit, kein Extremist, sondern ein Menschenfreund". An Hitlergrüße könne er sich nicht erinnern.

Josef Schuster / © Paul Zinken (dpa)
Josef Schuster / © Paul Zinken ( dpa )

Schuster sagte dazu der "Bild" (Donnerstag): "Hubert Aiwanger lässt auch Tage nach dem Bekanntwerden des antisemitischen Flugblattes aus seiner Schulzeit Einsicht und die Bereitschaft zur ehrlichen Auseinandersetzung vermissen. Es hätte eine schnelle Reaktion in diesem Sinne gebraucht." Nun gehe es nicht mehr darum, ob sich jemand in 35 Jahren glaubhaft wandeln könne, sondern "um den Umgang mit den Vorwürfen, der fast schon trotzig wirkt".

"Wille zur Aufklärung wichtig"

Schuster betonte: "Wenn er in seiner Jugend zum Umfeld eines Milieus gehörte, in dem diese Art von Rhetorik und Gesinnung üblich war, sollte ihm in seiner heutigen Position ein Wille zur Aufklärung besonders wichtig sein. Er ist es der Öffentlichkeit schuldig."

Zuvor hatten sich auch die Spitzen der Bundesregierung am Rande ihrer Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg zum Fall des Partei-Chefs der Freien Wähler geäußert. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) forderten umfassende Aufklärung und gegebenenfalls auch Konsequenzen für Aiwanger. Scholz sagte: "Alles das, was bisher bekannt geworden ist, ist sehr bedrückend. Und deshalb ist für mich sehr klar, dass alles aufgeklärt werden muss."

Juden in Deutschland

Jüdisches Leben auf dem Gebiet der Bundesrepublik gibt es seit mehr als 1.700 Jahren. Der älteste schriftliche Nachweis stammt aus dem Jahr 321 aus Köln. Vor der nationalsozialistischen Machtergreifung lebten 1933 auf dem Gebiet des Deutschen Reiches rund 570.000 Juden. In der Folge des Holocaust wurden etwa 180.000 von ihnen ermordet, sehr viele flohen. 1950 gab es nur noch etwa 15.000 Juden in Deutschland. Eine Zukunft jüdischen Lebens im Land der Täter schien unwahrscheinlich und war innerjüdisch umstritten.

Ein jüdischer Mann mit einer Kippa / © Nelson Antoine (shutterstock)
Ein jüdischer Mann mit einer Kippa / © Nelson Antoine ( shutterstock )
Quelle:
KNA