DOMRADIO.DE: Warum sind Computerspiele so beliebt?
Michael Swiatkowski (Kommunikationswissenschaftler und Theologe): Für junge Menschen sind Computerspiele viel mehr als nur Zeitvertreib. Die Computerspiele sind ein Medium, mit dem man seinen Alltag verbringt. Man konsumiert aber nicht nur, man konstruiert auch eine eigene Identität im Computerspiel.
Darüberhinaus sind Computerspiele wirklich eine Gemeinschaftserfahrung. Es gibt ein Vorurteil bei Leuten, die Computerspiele spielen. Sie denken, dass Computerspiele etwas sehr Individuelles sind. Tatsächlich zeigt aber die Entwicklung der letzten Jahre, dass Computerspiele immer mehr ein Gemeinschaftsgefühl stiften. Viele Computerspiele spielt man gemeinsam in eine Gruppe.
DOMRADIO.DE: Es gibt Eltern, die sich wundern, dass Jugendliche sich treffen, um gemeinsam nebeneinander am Bildschirm zu sitzen. Viele aber treffen sich gar nicht mehr, die sitzen in ihren eigenen Zimmern und sind dann nur noch vernetzt. Das ist ein Unterschied, oder?
Swiatkowski: Die Frage ist, aus welchen Blickwinkel man das betrachtet. Ich glaube, für den Kommunikationsprozess per se muss es nicht unbedingt etwas anderes sein. Das ist auch eine Form des Austauschs zwischen den Leuten. Wenn man spielt, denkt man nicht unbedingt darüber nach, dass mein Partner, mit dem ich gerade einen Berg besteige, ein Haus baue oder gegen Sachen kämpfe, gerade ein paar tausend Kilometer weit entfernt ist.
Mein Game-Partner ist für mich genauso wie ein Jugendfreund, mit dem ich früher im Sandkasten gespielt habe, präsent und nah.
DOMRADIO.DE: Es gibt viele Menschen, die verbinden blutige Killerspiele mit Computerspielen. Wird man der Branche damit gerecht?
Swiatkowski: Nein definitiv nicht. Da hat sich in den letzten Jahren sehr viel entwickelt. Selbstverständlich hält sich dieses Vorurteil, dass Computerspiele Ballerspiele sind. Wobei rein von der Anzahl und vom Umfang muss man sagen, dass Ego-Shooter nur einen sehr kleinen Teil der Computerspiele ausmachen. Inzwischen gibt es sehr viele Strategiespiele, Spiele, die vor allem die Kreativität fördern.
Ein gutes Beispiel dafür ist ein Spiel, in dem es darum geht, in der Gruppe Welten aufzubauen – also das Gegenteil von zerstörerischem Handeln wie Schießen.
DOMRADIO.DE: Warum sollte sich die katholische Kirche mehr mit dieser Art von digitaler Unterhaltungskultur beschäftigen?
Swiatkowski: Das erste Argument ist einfach: Weil die jungen Leute dort sind. Das ist der Ort, wo sich die jungen Leute aufhalten. Das ist der Ort, in dem junge Leute den Alltag verbringen. Das wäre schon der erste Grund, da genau hinzuschauen und sich auch dahin zu begeben. Das zweite Argument ist, dass auch alle anderen, die an dieser Zielgruppe – nämlich junge Menschen – interessiert sind, dort sind: Hersteller, Produzenten, Unterhaltungsmedien und Unterhaltungskonzerne.
Deswegen muss auch die Kirche vor Ort sein und sich zeigen. Ein gutes Beispiel ist die SilentMOD.
DOMRADIO.DE: Wie erklären Sie sich denn, dass die Kirche insgesamt doch sehr zögerlich ist in dieser Beziehung?
Swiatkowski: Da gibt es viele Faktoren wie diese bestimmte Art und Weise, selbstdarstellerisch zu sein. Vor allem für ältere Menschen und für Nichtspieler ist die Welt der Gamer schwer zugänglich. Das ist bestimmt ein Hemmnis für die katholische Kirche. Es fehlen vielleicht die Anknüpfungspunkte, wo die Kirche ansetzen könnte. Die sind allerdings auf vielen kleinen Ebenen, wie der Begegnungsebene oder auch institutionell vorhanden. Die Kirche kann sich bei der Gamescom auch als Eventveranstalter zeigen.
DOMRADIO.DE: Gibt es Spiele, bei denen Sie sagen, das ist schon was für die Kirche?
Swiatkowski: Es gibt viele Spiele, in denen religiöse Motive vorkommen. Minecraft beispielsweise verwendet wiedererkennbare religiöse Motive. In dem Spiel baut man Gebäude. Darunter sind gotische Kathedralen aufgrund ihrer speziellen Beschaffenheit und filigranen Strukturen sehr beliebt.
DOMRADIO.DE: Sie wollen durch ihre Arbeit am Lehrstuhl für Pastoraltheologie an der Ruhr-Universität Bochum die Kirche dazu bewegen, sich mehr auf diese Welt der Computerspiele einzulassen. Welche Möglichkeiten sehen Sie denn?
Swiatkowski: Wir sind in erster Linie nicht Anbieter von jungen pastoralen Angeboten, sondern wir zeigen, wo die Anknüpfungspunkte sind. Es ist tatsächlich so, dass die Kirche auch auf der Gamescom präsent ist – vor allem die evangelische Kirche. Sie macht jedes Jahr ein großes analoges Angebot mit über 250 Freiwilligen, die jedes Jahr vor Ort viele Angebote der Begegnung oder für die Freizeit machen und damit zeigen, was Jugendpastoralarbeit heute überhaupt ist.
Auf einer anderen, höheren Ebene will die Kirche zeigen: Wir sind als Kirche und als Organisation in der Stadt Köln da und machen Angebote. Das ist das, was wir versuchen zu tun.
Das Interview führte Dagmar Peters.