Sein Lebensweg entspricht dem Musterbuch des christlichen Gewerkschafters. Nikolaus Groß erblickte am 30. September 1898 in Niederwenigern im Ruhrgebiet das Licht der Welt. Er besuchte die Volksschule und begann eine Ausbildung in einem Blechwalzwerk. Später absolvierte er eine Lehre zum Kohlenhauer. 1917 trat er dem Gewerkverein Christlicher Bergarbeiter Deutschlands bei, im Jahr darauf der Deutschen Zentrumspartei.
Drei Jahre später begann dann ein neuer Lebensabschnitt. Groß wechselte von der Arbeit unter Tage an den Schreibtisch eines Gewerkschaftsfunktionärs. Der junge Mann, der jede Möglichkeit zur Fortbildung wahrnahm, wurde nach Bewährung in der Jugendarbeit schon bald in die Zentrale der christlichen Gewerkschaften nach Essen berufen und mit Tarifverhandlungen unter den heiklen Bedingungen einer galoppierenden Geldentwertung betraut. 1923 heiratete er Elisabeth Koch, mit der er sieben Kinder aufzog.
Leitungsposition in der "Westdeutschen Arbeiter-Zeitung"
1927 fand Groß seinen Traumjob. Er wurde in die Redaktion der "Westdeutschen Arbeiter-Zeitung" berufen, die er bald als Chefredakteur leitete. Das Verbandsorgan der katholischen Arbeiter- und Knappenvereine im deutschen Nordwesten erreichte Mitte der 20er Jahre eine Auflage von rund 170.000 Exemplaren. Gemeinsam mit dem geistlichen Vorsitzenden, Präses Otto Müller, und dem Verbandssekretär Bernhard Letterhaus lenkte Groß aus der Gewerkschaftszentrale Kettelerhaus in Köln den Kurs der Katholischen Arbeiterbewegung.
Unbeirrt führte er den publizistischen Abwehrkampf gegen die "Todfeinde" der Republik: Kommunisten und Nationalsozialisten. Immer wieder schrieb er unter Berufung auf die Fuldaer Bischofskonferenz, dass der Nationalsozialismus zu fundamentalen Wahrheiten des Christentums in schroffem Gegensatz stehe. Nicht ohne Stolz stellte der Gewerkschafter noch 1932 fest, dass den Nazis nur der Einbruch in die kommunistisch, nicht aber in die christlich und sozialdemokratisch organisierte Arbeiterschaft gelungen sei. Drei Monate später kam Hitler an die Macht.
Dauerhaft heimlicher Kampf gegen die Nazis?
Bis dahin hatte Groß als Publizist eine klare und eindeutige Sprache gepflegt. Unter der rüden Aufsicht des Propagandaministeriums entwickelte er ein feinsinniges Geschick, seinen Lesern Botschaften verschlüsselt mitzuteilen. So antwortete er auf Verfolgungen jüdischer Mitbürger, indem er an ihre patriotischen Verdienste als Frontsoldaten im Ersten Weltkrieg oder an die alttestamentliche Verwurzelung des Christentums erinnerte.
Und Groß erreichte seine Leser. Wenn sich zum Dreikönigstreffen am 6. Januar Zehntausende katholischer Arbeiter im Kölner Dom versammelten, war dies eine politische Demonstration, die vom Regime verstanden wurde: Von einem Großteil der katholischen Presse werde ein "dauernder heimlicher Kampf gegen den Nationalsozialismus" geführt, urteilte Reinhard Heydrich, Chef der Sicherheitspolizei.
"Vater, wohin gehst du?"
Der aktive Widerstand von Groß gegen die NS-Diktatur musste zu seiner Verhaftung führen. "Vater, wohin gehst Du?", fragte seine vierjährige Tochter Leni, als an einem Wochenende Männer in langen dunklen Ledermänteln auftauchten und ihn abführten. Am 12. August 1944, gut drei Wochen nach dem Scheitern des Attentats auf Hitler, nahm ihn die Gestapo als Mitwisser des Umsturzplans fest.
Bis zuletzt gab er die Hoffnung auf Freiheit nicht auf. Nachdem aber das Todesurteil gefällt war, ging er gefasst seinen Weg. Am 23. Januar 1945 wurde er in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Die Leiche von Groß wurde verbrannt und die Asche verstreut. Am 7. Oktober 2001 sprach ihn Papst Johannes Paul II. als christlichen Märtyrer selig und erhob ihn damit zum Vorbild des Glaubens.