DOMRADIO.DE: Wollten Sie Ihren runden Geburtstag groß feiern?
Heinrich Bedford-Strohm (Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland): Na ja, groß feiern ist zu viel gesagt, aber es hätte so etwas wie ein Open House im Landeskirchenamt gegeben, wo die Mitarbeitenden hätten gratulieren können. Aber so über ein paar Stunden verteilt, nicht so riesengroß, sondern einfach nur die Gelegenheit zum Gratulieren. Das haben wir abgesagt. Ich wollte ursprünglich in meiner Wohnung mit engsten Freunden und meiner Familie feiern. Aber das mache ich jetzt auch nicht.
DOMRADIO.DE: Offene Türen gehen gerade nicht. Wie haben Sie Ihren Geburtstag geplant?
Bedford-Strohm: Das wird jetzt ein sehr stiller Geburtstag. Ich werde am Morgen, wie ich es in den letzten Tagen jeden Morgen mache, ein kleines Video drehen und dann gleich auf Facebook stellen. Danach werde ich die Post lesen, mit meiner Frau und mit der Familie zusammen sein. Ansonsten werde ich eben per Videokonferenz verbunden sein, wie wir das heute jetzt eigentlich alle machen. Sicherlich wird es den ein oder anderen Anruf geben. Aber ich wollte bewusst nichts planen. Das ist jetzt ein stiller, vielleicht auch besinnlicher Geburtstag, und das finde ich etwas sehr Schönes.
DOMRADIO.DE: Mit 60 Jahren ist man ja definitiv nicht mehr jung, aber eben auch noch nicht wirklich alt. Wie fühlen Sie sich, an welchem Punkt in Ihrem Leben stehen Sie?
Bedford-Strohm: Ich fühle mich sehr gut, ich fühle mich voller Energie. Mir macht meine Arbeit große Freude. Ich habe mich eigentlich immer in dem Alter, in dem ich gerade war, wohlgefühlt. Und so geht es mir auch jetzt. Insofern lebe ich in der Gegenwart. So war das immer. Ich finde, es lebt sich auch sehr gut so.
DOMRADIO.DE: Wenn Sie zurückblicken – gibt es etwas, wofür Sie ganz besonders dankbar sind?
Bedford-Strohm: Ja, das ist natürlich die Familie. Ich bin ungeheuer dankbar und fühle mich überaus gesegnet, dass ich meine Frau habe, mit der jetzt bald den 35. Hochzeitstag feiere, dass wir drei wunderbare Söhne haben und dass ich seit einem Jahr sogar einen Enkel habe. Das sind alles Dinge, die kriegt man einfach geschenkt. Da kann man nichts machen. Das ist auch der Grund dafür, weshalb meine Dankbarkeit umso größer ist.
Aber ich habe auch wunderbare Erfahrungen mit meiner Arbeit als Gemeindepfarrer in Coburg, später an der Universität und jetzt als Bischof gemacht. Das hat mich immer erfüllt, genau an dem Ort, an den ich hingestellt war. Dass es mir so geht, mir die Arbeit Freude macht, dass ich so vielen Menschen begegne und so herzliche Begegnungen habe: Ich empfinde es als großes Geschenk. Genauso empfinde ich es als Geschenk, dass ich als Bischof immer so herrliche Gottesdienste feiern darf - mit wunderbarer Musik in einer festlichen Stimmung -, zu denen immer viele Menschen kommen. Ich weiß, das ist nicht immer so, nicht jeden Sonntag in allen Kirchen. Aber umso mehr nehme ich es als das Geschenk, was meine Kirche ihrem Bischof meist jeden Sonntag bereitet.
DOMRADIO.DE: Im Moment gibt es ja sogar noch nicht einmal mehr Gottesdienste, zumindest nicht öffentlich. Wie ist Ihre Erfahrung? Was hilft in dieser wirklich schwierigen Zeit?
Bedford-Strohm: Auch wenn wir jetzt nicht – und das ist sehr schmerzlich, gerade in der Passions- und Osterzeit – die Gottesdienste in den Kirchen feiern können, machen wir die Erfahrung, die hinter dem Gebot steckt, das Jesus selbst uns mit auf den Weg gegeben hat: dem doppelten Gebot der Liebe. Gott lieben und den Nächsten lieben.
Die Gottesbeziehung erfahren wir jetzt anders als in den Gottesdiensten in der Kirche. Die erfahren wir jetzt in besonderer Weise im Gebet, auch vielleicht für uns selbst, wenn wir Psalmen lesen, die die Bedrängnis, die Angst, die Furcht, aber auch den Trost zum Ausdruck bringen. Dabei gewinnen wir Stärkung.
Aber es gibt auch ganz neue Formate. Das finde ich auch beglückend: Was da alles im Moment aus dem Boden schießt, an Ideen und Formaten, über die digitalen Kanäle, über Radio und Fernsehen. Dass ist das eine und das andere ist die Nächstenliebe, dass wir zusammenhalten und einander helfen. Da mache ich im Moment auch ganz tolle Erfahrungen, dass gerade in dieser schweren Zeit die Menschen wissen, dass es auch noch neben ihnen jemand anderes gibt, der auch etwas braucht, und dass sie sich gegenseitig helfen. Das kann eine große Kraft geben. Deswegen bin ich zuversichtlich, dass wir es schaffen werden, durch diese Krise durchzukommen.
DOMRADIO.DE: Wenn Sie sich als EKD-Ratsvorsitzender zum 60. Geburtstag etwas für die Kirche in Deutschland wünschen dürften, was wäre das?
Bedford-Strohm: Das ist zuallererst, dass wir als Kirche ausstrahlen, wovon wir sprechen: Dass wir die radikale Liebe Jesu Christi, die uns inspiriert und alle Menschen auf der Welt inspiriert, dass wir sie selbst ausstrahlen, sodass diese wunderbare Botschaft von Gottes Liebe die Herzen der Menschen noch einmal ganz neu erreicht.
Es ist eine so starke Botschaft. Wir sind nicht immer die besten Botschafter, aber die Botschaft, die ist richtig stark. Und diese in die heutige Zeit hinein zu sprechen, in einer Zeit, wo sie nicht aktueller sein könnte. Das zu schaffen und die Herzen zu erreichen, das ist eigentlich mein größter Wunsch für die Kirche.
Das Gespräch führte Katharina Geiger.