Zum ersten Mal ist eine Frau Türmerin am Hamburger Michel

Als Vorbild für andere Frauen

Bruch mit einer Männerdomäne: Seit über 300 Jahren blasen Trompeter täglich Choräle vom Turm des Hamburger Michels. Nun übernimmt erstmals eine Frau das traditionsreiche Amt.

Turmuhr der Kirche Sankt Michaelis in Hamburg. Die Kirche wird auch Hamburger Michel genannt. / © Matthias Greve (KNA)
Turmuhr der Kirche Sankt Michaelis in Hamburg. Die Kirche wird auch Hamburger Michel genannt. / © Matthias Greve ( (Link ist extern)KNA )

Zum ersten Mal in der mehr als 300-jährigen Geschichte hat eine Frau das Amt des Türmers am Hamburger Michel übernommen. Neele Fokken teilt es sich fortan mit dem langjährigen Türmer Josef Thöne, nachdem sein bisheriger Kollege in den Ruhestand gegangen ist.

"Ich hoffe, dass ich ein Vorbild sein kann für andere Frauen und Mädchen, sich zu trauen Trompete zu spielen", sagte die 27-Jährige am Freitag in einem Pressegespräch, bei dem sie sich offiziell der Öffentlichkeit vorstellte.

(Link ist extern)Zwei Mal am Tag erklimmt einer der beiden Trompeter den Turm der evangelischen Hauptkirche Sankt Michaelis und bläst vom siebten Stock einen Choral über die Dächer der Stadt - jeweils einmal in alle vier Himmelsrichtungen. Dieser Brauch wurde während der Reformation in Hamburg eingeführt; am Michel wird er seit mehr als 300 Jahren praktiziert. Bis zur Aufhebung der Torsperre 1861 war der Trompeten-Choral das Zeichen für die Öffnung beziehungsweise Schließung der Stadttore. Am Freitag bliesen Fokken und Thöne ausnahmsweise gemeinsam den Choral.

"Dass ich nun täglich Trompete am Michel spielen darf, macht mich sehr, sehr glücklich", sagte Fokken, die bereits seit Sommer vergangenen Jahres im Amt ist. "Das ist schon ein sehr besonderes Gefühl", erzählte die Berufsmusikerin und Grundschullehrerin. Einige Menschen lauschten ihr täglich von den benachbarten Balkonen, Touristen würden ihr vom Kirchplatz aus zuwinken. 

Neele Fokken, Türmerin des Hamburger Michels / © Michael Althaus (KNA)

Thöne sagte, er freue sich, nun eine Frau an seiner Seite zu haben. "Die Zeiten schreiten voran", so der 65-Jährige, der seit mehr als 30 Jahren im Amt ist. Früher sei das Trompetespielen eine Männerdomäne gewesen. Inzwischen habe sich das zum Glück geändert. 

Das Wichtigste im Job des Türmers ist laut dem Amtsinhaber Zuverlässigkeit. Das tägliche Choralblasen vom Michel sei in der Vergangenheit nie ausgefallen - mit einer Ausnahme: "Einmal hatte mein früherer Kollege einen Fahrradunfall bei der Anfahrt."

Zunft der Türmer und Nachtwächter

Viele historische Städte greifen die mittelalterliche Tradition von Türmern und Nachtwächtern wieder auf - sei es als Touristenattraktion oder aus persönlicher Passion. Die Europäische Zunft der Türmer und Nachtwächter, 1987 im dänischen Ebeltoft gegründet, zählt derzeit 157 Mitglieder aus 9 Ländern. Aktiv sind davon 114 Nachtwächter und 23 Türmer. Zunftmeister ist Johannes Thier, Nachtwächter im niedersächsischen Bad Bentheim.

Türmerin Martje Salje (KNA)