DOMRADIO.DE: Das Denken von Ignatius von Loyola wirkt bis heute im Jesuitenorden fort, der von Ignatius im 16. Jahrhundert gegründet wurde. Was hat Sie bewogen, dem Jesuitenorden beizutreten?
Klaus Pfuff (Leiter des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes): Ich bin vielleicht nicht direkt wegen Ignatius, aber wegen seiner Exerzitien dem Orden beigetreten, weil ich in diesen Exerzitien für mich eine Spiritualität entdeckt habe, die ermutigt, die Gaben, die in einem Menschen stecken, wirksam werden zu lassen, zum Ausdruck zu bringen und darauf zu vertrauen, dass das auch zum Heil der Menschen und zu einem erfüllten Leben führt.
DOMRADIO.DE: Was bedeutet Ihnen der Ordensgründer Ignatius von Loyola persönlich?
Pfuff: Für mich ist Ignatius jemand, der immer wieder aufgebrochen ist und von Neuem gesucht hat. In all den Enttäuschungen oder auch Krisen seines Lebens hat er sich nicht entmutigen lassen, sondern immer wieder geschaut: Was heißt das jetzt und wohin möchte Gott mich damit führen? Und er hat immer darauf vertraut, dass am Ende etwas Gutes herauskommt.
DOMRADIO.DE: Wie würden Sie jemanden erklären, was der Jesuitenorden ist?
Pfuff: Das ist schwierig, weil wir ein bunter Haufen sind. Man kann nicht genau sagen, so oder so ist ein Jesuit, weil jeder seine eigene Spiritualität und Berufung hat, die es zu leben gilt. Aber was uns letztlich verbindet, ist die Erfahrung der Exerzitien, dass es einen gemeinsamen Ruf gibt, eine gemeinsame Aufgabe, zum Heil der Menschen in dieser Welt zu wirken.
DOMRADIO.DE: Heute setzen sie sich als Leiter des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes für Menschen auf der Flucht ein. Wie hängt das mit dem Geist von Ignatius von Loyola zusammen?
Pfuff: Das ist etwas, das mir Tag für Tag den Geist von Ignatius von Loyola vor Augen führt. Ich habe viel mit jungen geflüchteten Männern zu tun, die oftmals jahrelang hier sind und sich aufgeben, weil sie den Eindruck haben, sie seien nichts wert. Passend dazu sagt Ignatius: Jeder hat etwas Einmaliges, Wertvolles und das gilt es zu entdecken und zu leben.
Genau das versuche ich mit diesen jungen Menschen immer wieder zu leben, sie zu ermutigen und zu sagen: Gebt nicht auf, sondern schaut, was euch ausmacht. Was ist eure Aufgabe und was möchtet ihr? Meine Aufgabe ist es, dort hinzugehen, wo es viel Entmutigung und Ablehnung gibt, und diesen Menschen Mut zu machen und zu sagen: Du bist einzigartig, einmalig, geliebt und wertvoll.
DOMRADIO.DE: Aus Ihrer Erfahrung heraus: Was müsste sich in der europäischen Flüchtlingspolitik ändern?
Pfuff: Die Menschen müssten wieder als Menschen und nicht als Zahlen wahrgenommen werden. Jeder Geflüchtete muss mit seinem menschlichen Antlitz gesehen werden. Zum anderen finde ich, dass jeder Mensch den Wert erfahren soll, den er hat, egal woher er kommt oder mit welchem Hintergrund. Letztendlich muss diese Einmaligkeit und der Wert, den jeder Mensch in sich trägt, wieder wertgeschätzt und gesehen werden. Ich glaube, da verlieren wir gerade sehr viel.
Das Interview führte Moritz Dege.
Anmerkung der Redaktion: Das Interview wurde 2019 geführt