Die Realisierung der UN-Behindertenrechtskonvention sei "bisher von Halbherzigkeit und dem Diktat der Kostenneutralität geprägt", sagte GEW-Vorstand Ilka Hoffmann am Freitag in Frankfurt aus Anlass des Internationalen Tages der Menschen mit Behinderung am Samstag. Ein Bündnis mehrer Sozialverbände forderte mehr Einsatz für eine barrierefreie Gesellschaft.
Mangel am inklusiven Bildungssystem
Hoffmann machte zugleich darauf aufmerksam, dass die vom Bundestag beschlossene Novellierung des Bundesteilhabegesetzes für den Bildungsbereich Tücken habe. So fehlten an den Schulen weiterhin die Ressourcen, um einen qualitativ hochwertigen inklusiven Unterricht anzubieten. "Allen Sonntagsreden zum Trotz fehlt sowohl auf Bundes- als auch auf Länderebene der notwendige politische Wille, Inklusion umfassend umzusetzen", sagte die GEW-Expertin.
Diese Vorwürfe erhebt auch das Deutsche Institut für Menschenrechte. "Immer wieder stellen Politiker die Inklusion in der Schule zur Disposition, das ist nicht zielführend", erklärte Valentin Aichele, Leiter der Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention des Instituts. Er verwies darauf, dass Deutschland durch die Konvention zu inklusiver Bildung in der Regelschule verpflichtet sei.
"Um ein inklusives Bildungssystem erfolgreich aufzubauen, muss die sonderpädagogische Förderung systematisch in die allgemeine Schule verlagert werden", betonte Aichele weiter. Dazu gehöre es auch, Sonderschulen schrittweise aufzugeben. Nur so könnten hochwertige inklusive Angebote für alle gesichert werden.
Barrierefreiheit in allen Lebensbereichen
Der Sozialverband VdK Deutschland rief unterstützt von anderen Sozial- und Wohlfahrtsverbänden dazu auf, schneller für umfassende Barrierefreiheit in allen Lebensbereichen zu sorgen. So seien etwa private Anbieter von Gütern und Dienstleistungen noch immer von der Verpflichtung zur Barrierefreiheit ausgenommen. "Treppen vor Arztpraxen und Apotheken, fehlende Orientierungshilfen in Krankenhäusern, eingeschränkte Servicezeiten am Bahnhof für Einstiegshilfen: Diese Hürden müssen endlich beseitigt werden", sagte Adolf Bauer, Präsident des Sozialverbands Deutschland.
25 Prozent der Bürger haben körperliche Einschränkungen
Nach Angaben der EU-Statistikbehörde Eurostat leiden EU-Bürger mit einem hohen Einkommen seltener als ärmere Einwohner unter körperlichen Einschränkungen im Alltag. Fast ein Drittel (31,2 Prozent) der Bürger mit dem niedrigsten Einkommen gab bei Umfragen an, bei üblichen Aktivitäten durch Krankheit oder Behinderung eingeschränkt zu sein, wie die Behörde mitteilte. Bei den Vermögenden betrug dieser Wert 17 Prozent.
EU-weit wurden im Jahr 2015 Bürger ab 16 Jahren befragt. 25,3 Prozent berichteten von seit langem bestehenden leichten oder schweren gesundheitsbedingten Einschränkungen. Sie gaben an, seit mindestens sechs Monaten in der Schule, im Beruf, im Haushalt oder in der Freizeit eingeschränkt zu sein.
Im Vergleich der EU-Mitgliedstaaten klagten die Bürger in Malta am seltensten über gesundheitliche Probleme (9,7 Prozent). Aus Österreich und Finnland wurden dagegen die höchsten Werte gemeldet (je 33,1 Prozent). Deutschland liegt mit 21,2 Prozent klar unter dem EU-Durchschnitt.