Nicaraguas Präsident Daniel Ortega hat das Spiel mit den unterschiedlichen Positionen innerhalb der nicaraguanischen Kirche weidlich ausgenutzt. Kam aus Reihen der Bischöfe Kritik, berief sich der Sandinist auf Miguel Obando y Bravo.
Am Sonntag ist der Kardinal, der lange dem Hauptstadtbistum Managua vorstand, im Alter von 92 Jahren gestorben. Mitten in dem laufenden Machtkampf in Nicaragua verliert der Präsident einen wichtigen Unterstützer.
Offizielle Stimme der nicaraguanischen Kirche
Die vom Ortega-Clan kontrollierten Staatssender, in deren Gremien die Söhne und Töchter Ortegas die Strippen ziehen, beriefen sich in den vergangenen Jahren stets auf Obando y Bravo als die offizielle Stimme der nicaraguanischen Kirche. Die übrigen Bischöfe um den inzwischen ebenfalls in den Kardinalsrang erhobenen aktuellen Erzbischof von Managua, Leopoldo Brenes, fanden dagegen kaum Beachtung.
Entsprechend groß ist die Trauer im Lager der Sandinisten: "Nicaragua, das tragische Stunden und Uneinigkeit erlebt, erkennt auf ewig sein Leben, das der Versöhnung und dem Frieden gewidmet war, an", schrieb "La Voz del Sandinsmo". Deutlich distanzierter vermeldete die regierungskritische Tageszeitung "La Prensa" den Tod des Kardinals. Obando y Bravo sei im Schatten seiner Allianz mit Präsident Ortega gestorben, kommentierte das Blatt.
Vom Präsidenten hofiert: "Helden des Friedens"
Der Kirchenmann zelebrierte nach Ansicht von Kritikern seine Nähe zu Ortega und wurde dafür vom Präsidenten hofiert. Vor gut zwei Jahren ließ ihn dieser nach einem Beschluss der Nationalversammlung des mittelamerikanischen Landes offiziell zum "Helden des Friedens" ernennen.
Die Entscheidung fiel kurz nachdem die Nicaraguanische Bischofskonferenz Ortega zu einem Gespräch über die Lage im Land empfangen und ihn mit kritischen Fragen aus der Bevölkerung konfrontiert hatte. Ortega verließ das Treffen schweigend und sorgte anschließend für die Auszeichnung Obandos.
Das Leben Obando y Bravos folgte einem politischen Zick-Zack-Kurs. Der Salesianer stand bis 2005 rund 35 Jahre an der Spitze des Erzbistums Managua und prägte wie kaum ein anderer Kirchenvertreter die gesellschaftspolitische Diskussion in dem mittelamerikanischen Land. Er erlebte aus nächster Nähe die politischen Extreme mit und geriet damit immer wieder zwischen die Fronten.
Mehrfach Vorsitzender der nicaraguanischen Bischofskonferenz
Obandos Aufstieg fiel in die Schlussphase der Somoza-Dynastie, die Nicaragua seit Mitte der 1930er-Jahre ausgebeutet hatte, sowie die Herrschaft der marxistisch orientierten Sandinisten ab 1979. Zwischen 1971 und 2005 war Obando mehrfach Vorsitzender der nicaraguanischen Bischofskonferenz.
Als Obando mit 44 Jahren Erzbischof in Managua wurde, bezog er schnell Position gegen die blutige Diktatur des Somoza-Clans. Ende der 70er-Jahre versuchte er zunächst, zwischen dem Regime und der damals noch kleinen Rebellengruppe der "Sandinistenfront" (FSLN) zu vermitteln.
Nach der sandinistischen Revolution stand der Erzbischof der neuen Regierung zunächst aufgeschlossen gegenüber, auch weil vier katholische Priester Ministerämter bekleideten, darunter die Brüder Ernesto und Fernando Cardenal.
Unterstützer des Präsidentschaftswahlkampfs
Durch die Propagierung des Sozialismus unter Ortega gerieten die Sandinisten jedoch in Frontstellung zu Obando. Weil dieser zugleich Verständnis für die Anliegen der "Contra"-Rebellen zeigte, stand er bald auch im Westen im Ruf eines politischen Reaktionärs. 1990 siegte bei den ersten freien Wahlen in Nicaragua die vom Erzbischof unterstützte Parteienkoalition "Uno" unter Violeta Chamorro.
Später dann die neuerliche Annäherung an die Sandinisten. 2007 war Obando Präsident der staatlichen Versöhnungskommission. 2012 unterstützte er den erfolgreichen Präsidentschaftswahlkampf Ortegas, trotz der schon damals massiven Vorwürfe der Wahlmanipulation gegen das Ortega-Regime.
Seit Ausbruch der Massenproteste vor über einem Monat, denen die Regierung mit aller Härte begegnet, war von Obando nichts zu hören. Ob seiner zuletzt schwachen Gesundheit oder seiner politischen Überzeugung geschuldet, ist nicht bekannt.
Tobias Käufer