Anfang Juni reiste er nach Kiew, wo er immerhin Staatspräsident Wolodymyr Selenskyj traf; drei Wochen später ging es nach Moskau. Hier war Putins außenpolitischer Berater Juri Uschakow der höchstrangige politische Vertreter, der ihn empfing. Spätestens an diesem Punkt wurde deutlich, dass Kardinal Matteo Zuppi nicht – wie einst die Super-Diplomaten Henry Kissinger oder Hans-Dietrich Genscher – eine klassische "Pendeldiplomatie" zwischen Kiew und Moskau betreiben kann oder will.
Vage Mission
In den kurzen Stellungnahmen, die sich Zuppi seit seiner Rückkehr aus Moskau entlocken ließ, machte er immer wieder deutlich, dass es dem Papst, der ihn Ende Mai mit dieser Mission beauftragt hatte, auch gar nicht darum geht, als diplomatischer Vermittler zwischen den beiden verfeindeten Ländern aufzutreten.
Was aber dann genau seine Mission ist, ließ Zuppi immer wieder im Vagen – und noch ist nicht klar, ob er diese Vagheit wählt, um den Erfolg seiner Mission nicht zu gefährden. Oder ob er schlichtweg keinen Ansatz findet, wie er zum Frieden zwischen dem AggressorRussland und der angegriffenen Ukraine beitragen kann.
"Nicht viele Fortschritte"
Dass Zuppi bislang wohl nicht weit gekommen sei, hat unlängst der Leiter der orthodoxen Kirchendelegation beim Fest Peter und Paul in Rom angemerkt. Im Interview mit dem Portal Vatican News sagte der aus der Ukraine stammende
Job: "Jede Initiative des Dialogs und des Friedens ist willkommen. Aber leider hat laut unseren Informationen die Mission von Kardinal Zuppi auf diesem Gebiet nicht viele Fortschritte erzielen können."
Dass es – ob aus inhaltlichen oder aus taktischen Gründen – bislang nicht viel zu erzählen gibt, zeigt sich an einem Detail: Der Vatikanhat von sich aus nichtmal über das Treffen Zuppis mit dem Papst berichtet, bei dem der Kardinal seinen Auftraggeber über seine Reisen informierte. Erst als Journalisten den Kardinal am Dienstagabend bei einer Buchvorstellung in Rom danach fragten, bestätigte er den Rapport-Termin. Auch dass Zuppi danach bei Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin war, wurde erst in diesem Kontext bekannt.
Ukrainische Kinder rückführen
Am selben Tag hatte der ukrainische Botschafter beim Heiligen Stuhl, Andrij Jurasch, über Twitter mitgeteilt, dass er mit Zuppi über die Konsequenzen seiner Reisen gesprochen habe. Dabei konzentrierte er sich auf die humanitären Aspekte der Mission, deren Konturen inzwischen immerhin etwas deutlicher werden.
Im Kern geht es um die Rückführung von Kindern, die aus den Kriegsgebieten im Osten und im Süden der Ukraine nach Russland gebracht wurden. Die Ukraine spricht von Entführung und Raub, die russische Seite davon, dass die Mädchen und Jungen in Sicherheit gebracht worden seien.
Nachdem es dem Heiligen Stuhl offenbar bereits gelungen ist, beim Austausch von Kriegsgefangenen zu vermitteln, könnte er auch auf diesem Gebiet segensreich wirken – allerdings wahrscheinlich um den Preis, dass die dafür verantwortlichen Russen relativ ungeschoren davonkommen. An diesem Punkt machte Zuppi eine interessante Andeutung, die durchblicken ließ, worum er sich derzeit bemüht.
Kein Schwarz-Weiß-Denken
Er sprach davon, dass zu oft "einfache Lösungen" gesucht würden, die in Wahrheit "manichäisch" (also im Denken von Schwarz und Weiß, von Gut gegen Böse verhaftet) seien. Es gehe auf beiden Seiten leider oft nur darum, etwas zu manifestieren, und weniger darum, eine Lösung zu finden.
Anders als die meisten westlichen Mächte (und als die angegriffene Ukraine) glaubt Zuppi offenbar, dass man zumindest rhetorisch und verhandlungstaktisch von der Frage absehen müsse, wer den Krieg als Angreifer begonnen hat. Dennoch betonte er, man müsse "die Verantwortlichkeiten" benennen – was wiederum impliziert, dass auch die Ukraine nicht völlig unschuldig wäre.
Vorbildcharakter für Friedensgespräche?
Sollte es Zuppi und dem Heiligen Stuhl gelingen, in der Frage der Kinder-Rückführung einen "Deal" zu vermitteln, wäre dieser zwar nach den Maßstäben einer Schwarz-Weiß-Moral problematisch. Er könnte aber Vorbildcharakter auch für die eigentlichen Friedensgespräche haben, die eines Tages kommen werden, wenn beide Kriegsparteien militärisch erschöpft sind.
Zuppi (und der Papst im Hintergrund) könnten dann für sich beanspruchen, dass sie es zunächst in einem sehr begrenzten, humanitären Teilaspekt des Krieges geschafft haben, die Logik der wechselseitigen Maximalforderungen zu überwinden. Den Weg dahin beschrieb der Kardinal am Dienstagabend mit den scheinbar nichtssagenden Worten: "Wir müssen einen Mechanismus in Gang setzen und dann möglichst rasch das Mögliche tun."