Zwei Todesopfer befürchtet - Schramma erwägt Baustopp der U-Bahn

Kaum noch Hoffnung

Nach dem Einsturz des Historischen Stadtarchivs in Köln werden derzeit noch zwei Männer vermisst. Die Überlebenschancen der beiden Bewohner sind allerdings gering. Die beiden großen Kirchen in Köln haben sich bestürzt geäußert. "Ich hoffe und bete dafür, dass wir die noch immer vermissten Personen nicht als Opfer des Unglücks zu beklagen haben werden", erklärte der Stadtsuperintendent Rolf Domning am Mittwoch. Kardinal Joachim Meisner erklärte, er bete für die Betroffenen. Der Kölner Oberbürgermeister sagte, U-Bahn-Bau werde für ihn grundsätzlich zum Problem.

 (DR)

Nach dem Einsturz wurden zeitweise bis zu neun Personen für vermisst gehalten. Sieben von ihnen seien inzwischen unversehrt angetroffen worden. Das gelte auch für ein Ehepaar, das zunächst in einem der eingestürzten Wohnhäuser vermutet wurde.

Die Staatsanwaltschaft Köln nahm unterdessen Ermittlungen gegen Unbekannt auf. Der durch den Gebäudeeinsturz entstandene Sachschaden ist immens. Über die Unglücksursache wurde am Mittwoch weiter spekuliert.

Die Suche nach den beiden vermissten Anwohnern gestaltete sich unterdessen schwierig, da in der Umgebung des Unglücksorts weitere Häuser als einsturzgefährdet gelten. Neuhoff sagte, es werde vermutlich noch bis Donnerstagnachmittag dauern, ehe die Unglücksstelle so weit abgesichert sei, dass im Schuttberg nach möglichen Opfern gesucht werden könne. Es sei so gut wie ausgeschlossen, sie noch lebend zu finden. Seit Dienstag wird die Unglücksstelle mit rund 1000 Kubikmetern Beton gesichert. Dadurch soll verhindert werden, dass der Boden erneut nachgibt.

Als mögliche Unglücksursache wird der Bau einer neuen U-Bahn-Linie genannt. Trotz des Gebäudeeinsturzes lehnte der Vorstandssprecher der Kölner Verkehrsbetriebe (KVB), Jürgen Fenske, einen Baustopp bei der Nord-Süd-Stadtbahn ab. Der Krisenstab des Unternehmens habe sich dagegen ausgesprochen, weil an keiner anderen U-Bahn-Baustelle vergleichbare Umstände wie an der Severinstraße vorlägen.

Beim Bau der etwa vier Kilometer langen Stadtbahntrasse war es immer wieder zu Gebäudeschäden gekommen. So traten in der Kirche St. Maria im Kapitol Schäden an Wänden und Decke auf. Auch am Historischen Rathaus zeigten sich während der Bauarbeiten Risse und der Ratsturm gab um sieben Millimeter nach. Für Aufsehen sorgte im Jahr 2004 der Schaden an der ebenfalls an der Severinstraße gelegenen Kirche St. Johann Baptist. Hier hatte sich der Turm um 70 Zentimeter geneigt, was zu aufwendigen Sicherungsmaßnahmen führte.

Schramma: U-Bahn-Bau untersuchen
Kölns Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU), der seinen Urlaub in Österreich abgebrochen hatte, stellte den Weiterbau der neuen U-Bahn-Linie unter der Altstadt infrage. «Ich halte das eigentlich jetzt fast für unverantwortlich», sagte Schramma. Der U-Bahn-Bau werde für ihn grundsätzlich zum Problem.

Der Kölner Kulturdezernent Georg Quander gab den Versicherungswert des im eingestürzten Stadtarchiv gelagerten Materials mit rund 400 Millionen Euro an. Bei dem Archivbestand handele es sich «um das Gedächtnis des gesamten Rheinlandes und weit darüber hinaus», sagte Quander.

In der Nacht bargen rund hundert Mitglieder der Freiwilligen- und der Berufsfeuerwehr Dokumente aus einem Anbau des Historischen Archivs, der nur gering beschädigt wurde. Die teilweise sehr wertvollen Stücke wurden von Archivaren in Kisten deponiert und in der Turnhalle eines benachbarten Gymnasiums zwischengelagert. Über das möglichst schonende Freilegen der noch verschütteten Dokumente wollen Experten aus ganz NRW entscheiden, wenn die Unglücksstelle gesichert ist. Wie viele Dokumente durch den Einsturz beschädigt oder vernichtet worden sind, könne man noch nicht abzusehen.

Laut Kultursstaatssekretär Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff (CDU) sind derzeit 20 Archivare und Restauratoren damit beschäftigt, den Bestand des Stadtarchivs zu bergen. Auch Restauratoren des Landschaftsverbands Rheinland (LVR) bereiteten sich auf die Rettung des Materials vor.

Das Stadtarchiv umfasst den Angaben zufolge Dokumente aus mehr als tausend Jahren Kölner und rheinischer Geschichte, unter anderem 65 000 Urkunden, 104 000 Karten und eine halbe Million Fotos. Auch zahlreiche Nachlässe, darunter der des Schriftstellers Heinrich Böll, befinden sich in dem Archiv. Die früheste Urkunde stammt aus dem Jahr 922.

Notfallseelsorge im Einsatz
Am Dienstag waren drei Notfallseelsorger der beiden Kirchen an der Unglücksstelle im Einsatz, wie der für die evangelische Kirche zuständige Notfallseelsorger Pfarrer Holger Reiprich-Meurer am Mittwoch dem epd sagte. Angeboten wurden seelsorgerliche Gespräche, um das Erlebte zu verarbeiten. Auch seien Anwohner betreut worden, die nicht mehr in ihre Wohnungen zurückkehren konnten. Inzwischen werden auch Menschen seelsorgerlich und psychologisch betreut, die über die Telefonhotline der Stadt Köln vermittelt werden. Die Notfallseelsorger unterstützten die Arbeit von Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei, die einen Behandlungsplatz eingerichtet haben.

Die evangelische Antoniterkirche an der Unglücksstelle ist ganztägig geöffnet, am Dienstag wurde dort bis in die Nacht Raum für Gespräche gegeben. Der Pfarrer der Antoniter-Citykirche, Bertold Höcker, besuchte am Mittwoch gemeinsam mit Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes (SPD) den Ort des Einsturzes. «Die Kirche ist vor Ort und kümmert sich um die Betroffenen», sagte der Sprecher des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region, Günter A. Menne.

Mehr zum Thema