Die Bedeutung von Alkohol in Judentum und Christentum

Zwischen Sanktionierung und Heiligung

Trinken, saufen, schwelgen, Bewusstsein erweitern: Mit der Ambivalenz von Alkohol in Judentum und Christentum hat sich jüngst die Gesprächsreihe "Koscher to go" des Jüdischen Museums Berlin befasst.

Autor/in:
Nina Schmedding
Pessach in einer Familie / © Harald Oppitz (KNA)
Pessach in einer Familie / © Harald Oppitz ( KNA )

Noah pflanzte als Erster einen Weinberg, so heißt es in der jüdischen Thora, dem Alten Testament im Christentum. "Und da er von dem Wein trank, ward er trunken und lag im Zelt aufgedeckt" (1.
Mose 9, 20-27) - eine peinliche Entblößung, noch dazu vor seinen Söhnen.

Die biblische Urszene warnt: Wer zu viel trinkt, macht Dummheiten und verliert jede Hemmung. An weiteren Stellen der Heiligen Schrift ist auch von Lallen, Taumeln, Erbrechen als Folge des unmäßigen Konsums die Rede. Und von sexuellen Ausschweifungen bis zum Inzest - man denke etwa an Lots Töchter, die ihren Vater betrunken machen und dann mit ihm schlafen.

Alkohol nicht nur negativ

Dennoch ist der Alkohol sowohl im Judentum als auch im Christentum nicht nur negativ besetzt, im Gegenteil: So kommt Wein in beiden Religionen eine besondere Bedeutung bei liturgischen Handlungen zu.
Im Judentum wird im Segensspruch über dem Becher mit Wein zu Beginn jüdischer Feiertage Gott als Schöpfer der Frucht des Weinstocks geehrt. Im Christentum ist Wein zentraler Bestandteil der Eucharistie und Abendmahlsfeier im Gottesdienst.

Am Dienstagabend ging es im Jüdischen Museum Berlin unter dem Titel "Zwischen Sanktionierung und Heiligung - Alkohol in Judentum und Christentum" um die kultische Funktion von Wein, Bier und Schnaps. Die Veranstaltung war Teil der Vortragsreihe "Koscher to go" des Museums, die sich in mehreren Teilen mit Ernährungsgeboten unterschiedlicher Religionen befasst.

Göttliches bei der Fermentierung?

Schon die antiken Götter wurden mit Wein in Verbindung gebracht, man denke etwa an Dionysos im alten Griechenland, wie Theologe David Grumett von der Universität Edinburgh erklärte. "Vielleicht hat das mit dem Fermentierungsvorgang zu tun, der nicht richtig verstanden wurde. Es handelt sich schließlich um eine Wandlung von Traubensaft in Wein." Das habe man damit gleichgesetzt, dass etwas Göttliches seine Hand im Spiel haben müsse.

In Maßen getrunken, ist Wein im Judentum grundsätzlich positiv besetzt, steht für Freude miteinander, für "kurzzeitiges Loslassen", so der Professor für Jüdische Studien an der University of Wisconsin-Madison, Jordan Rosenblum. Nach rabbinischer Tradition müssen aber gewisse Regeln eingehalten werden, damit der Wein "koscher" ist. Das sei etwa der Fall, wenn er gekocht werde.

Etwas anders sieht es mit Bier aus, das etwa im alten Babylonien bevorzugt wurde. Es war grundsätzlich erlaubt - so lange es nicht im Beisein eines Nichtjuden getrunken wurde. "Hier ist es nicht das Getränk an sich, sondern die soziale Situation, die als nichtkoscher gilt", so Rosenblum. Es ging den Rabbinern darum, Mischehen und damit die Assimilation zu verhindern. Das gemeinsame Trinken konnte der erste Schritt zu einer Romanze sein. "Für das Reformjudentum etwa sind das aber Artefakte der Vergangenheit, die für heute keine Relevanz mehr haben", so Rosenblum.

Wein im Christentum

Im Christentum sind Brot und Wein, die Leib und Blut von Jesus symbolisieren, zentraler Bestandteil in der Abendmahlsfeier oder Eucharistie. Dabei werden die überlieferten Worte Christi beim letzten Abendmahl mit seinen Jüngern wiederholt. Nach katholischem Verständnis vollzieht sich dabei die Wandlung von Wein zu Blut. "Mit Kannibalismus hat das nichts zu tun. Es ist ein Wein, aber die Gestalt des Weines wandelt sich - die Essenz wird Christus-ähnlich", erklärt Grumett die Gegenwart Jesu im Wein. Dieses Verständnis teilen nicht alle christlichen Konfessionen.

Der liturgische Gebrauch des Weins hat im Lauf der Geschichte zu einer engen Verbindung zwischen Klöstern und Weinanbau geführt. Auch so genannte "geistige Getränke" - Spirituosen von lateinisch: spiritus (Geist) - wurden im Mittelalter in Klöstern destilliert, meist zu medizinischen Zwecken. "Man glaubte, dass Spirituosen das Leben verlängern, den Körper reinigen, von Krankheiten heilen", so Grumett.

Im Judentum steht der Genuss von Wein besonders zu Pessach auch immer für Wohlstand, wie Rosenblum erklärte. Am Sederabend sollten es vier Glas Wein pro Nase sein - schließlich erinnere das Fest an die Befreiung von der Sklaverei. "Pessach ist das bekannteste Beispiel für rabbinisches 'Binge-drinking'", so Rosenblum. "Es soll ein Zeichen dafür sein, dass es einem gut geht."


Quelle:
KNA