Weltmarkt-Teilhabe sinnvoller als Entwicklungshilfe
"Wir sind ja eine Weltkirche und haben hier einiges aus eigener Erfahrung in der Diskussion beizutragen", sagt der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz am Wochenende in einem Interview der "Berliner Zeitung". Eine Verteufelung des Marktes und der Globalisierung hält Kardinal Lehmann jedoch für unangebracht. So betont er in einem Interview mit der "Berliner Zeitung" auch die positiven Seiten der Globalisierung. Mit guten Gründen könne gesagt werden, dass "durch die Weltmarkt-Teilhabe armer Länder mehr erreicht werden kann als durch die ganzen Gelder für Entwicklungshilfe".
Doch da viele arme Länder noch nicht auf dem Weltmarkt mitspielen, betont die Subventionen. Vom G-8-Gipfel in Heiligendamm erwartet Lehmann, dass die Bundesregierung, "unbedingt, die versprochenen 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Entwicklungshilfe wirklich zur Verfügung stellt und auch andere Millenniumsziele erreicht werden".
Ebenso wünscht der Kardinal mehr Mitverantwortung seitens der großen Konzerne. Diese dürften nicht nur Gewinne abschöpfen, solange es in einem Land günstig laufe. Defizite sieht der Kardinal bei der Bewahrung der Sozialen Marktwirtschaft. Diese laufe Gefahr, durch einen "gewissen Neoliberalismus", der vor allem aus dem angelsächsischen Raum komme, abgelöst zu werden.
"Da haben wir etwas zu verlieren - nämlich unsere mitteleuropäische Sozialkultur, die die Rechte der arbeitenden Menschen wahrt", mahnt Lehmann.
Lehmann: Verständnis für Sicherheitsmaßnahmen
Verständnis äußert der Vorsitzende der Bischofskonferenz in dem Interview für die umstrittenen Sicherheitsmaßnahmen in Heiligendamm. "Ich verteidige die Demonstrationsfreiheit, so weit es nur geht. Natürlich erschrecke ich auch über den Metallzaun", räumt er ein. Aber in einer Zeit, in der sich Terroristen raffinierte Zugänge verschaffen könnten, "muss man wohl Verständnis dafür haben". Zugleich betont Lehmann, er habe Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) nie als Scharfmacher erlebt. Die Organisatoren der Proteste beim G-8-Gipfel müssten sich "völlig klar von Gewalttätern absetzen und unterscheiden".
Die Idee einer Globalisierungs-Enzyklika ist gar nicht einmal so abwegig, bereits am 11. April 1963 veröffentlichte Papst Johannes XXIII. seine Enyklika "pacem in terris" ("Über den Frieden auf Erden"). Wenn diese Enzyklika auch als eine bedeutende "Friedensenzyklika" bekannt wurde, so trägt sie doch große Elemente der Soziallehre in sich. Papst Johannes erkannte schon damals, dass die Soziallehre in der globalen Entwicklung Berücksichtigung finden müsse. Johannes stellt er in seinem Schreiben "an alle Menschen guten Willens" eindeutig fest, "daß der Mensch das Recht auf Leben hat, auf die Unversehrtheit des Leibes sowie auf die geeigneten Mittel zu angemessener Lebensführung."
Kardinal Lehmann wünscht sich Globalisierungs-Enzyklika
Pacem in terris No.2?
Das Thema Globalisierung sorgt im Vorfeld des G8-Gipfels weiterhin für Diskussionen und neue Vorschläge. Kardinal Lehmann hat sich nun direkt an Benedikt XVI. gewandt. Sein Wunsch: eine Enzyklika, also ein Rundschreiben an alle Bischöfe, zum Thema Globalisierung. Völlig neu ist die Idee nicht. Schon einmal hatte ein Papst einen Schritt in diese Richtung unternommen.
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