5 000 Dauerspender verloren - Europazentrale besorgt

Wagenburgmentalität bei UNICEF?

Die Auseinandersetzungen im Kinderhilfswerk UNICEF weiten sich aus. Nachdem die Forderungen nach mehr Transparenz immer lauter wurden, beriet am Dienstag die UNICEF-Spitz ihr weiteres Vorgehen. Geschäftsführer Dietrich Garlichs räumte Versäumnisse beim Krisenmanagement ein, wies Rücktrittsforderungen aber zurück. Der Schaden ist immens, alleine der Vorstand könne hier Lösungen schaffen, sagte Lothar Schuff, Prof. für Wirtschaftsprüfung, im domradio Interview.

 (DR)

Garlichs bekannte sich zu Fehlern beim Umgang mit den Vorwürfen gegen die Organisation. UNICEF werde Konsequenzen ziehen. "Wir müssen die Transparenz deutlich machen", sagte Garlichs. "Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG macht dafür jetzt Vorschläge, und wir werden mit der KPMG gemeinsam diese Vorschläge durchsetzen", fügte er hinzu.

Einen Rücktritt lehnt der Geschäftsführer ab. "So eine Krise weckt auch enorme Energien. Ich bin mit voller Kraft dabei, zusammen mit dem neuen Vorsitzenden und vielen anderen, die sich engagieren, UNICEF aus dieser Krise herauszuführen", sagte Garlichs. UNICEF bestätigte zudem Medienberichte, wonach rund 5 000 von 20 0 000 Fördermitgliedern gekündigt hätten.

UNICEF-Komitee fordert Sondersitzung
Nach einem Bericht der "Bild"-Zeitung kritisierte das UNICEF-Komitee - das Kontrollorgan des Hilfswerks - in einem zweiseitigen Beschwerdebrief mangelnde Transparenz und fordert eine Sondersitzung sowie Änderungen der Satzung. "Wenn der Vorstand glauben sollte, an seiner Wagenburgmentalität und Beschwichtigungsstrategie festhalten zu können, würde er dem Anliegen von UNICEF einen nicht wieder gut zu machenden Schaden zufügen", zitierte das Blatt aus dem Brief.

UNICEF-Vorstandsmitglied Rolf Seelmann-Eggebert verwies dem Blatt zufolge darauf, dass eine Abwahl des Vorstandes laut Satzung bisher nicht möglich sei. UNICEF-Komitee-Mitglied Nina Ruge sagte der Zeitung: "Es ist den vielen freiwilligen Helfern an der Basis nicht zu vermitteln, wenn ein ehemaliger UNICEF-Mitarbeiter als Pensionär für seine Arbeit 850 Euro Honorar am Tag von UNICEF kassiert."

Europazentrale: Vorwürfe aufklären
Die Europazentrale des UN-Kinderhilfswerks UNICEF hat das deutsche Komitee der Organisation aufgefordert, die Vorwürfe über angebliche Misswirtschaft umgehend zu aufklären. "Wir erwarten, dass UNICEF Deutschland das Vertrauen sehr schnell wieder herstellt", betonte Michael Klaus, Kommunikationschef von UNICEF Europa, am Dienstag in einem Gespräch mit dem evangelischen Pressedienst in Genf. "Wir sind sehr besorgt", fügte er hinzu.

Das deutsche UNICEF-Komitee ist nach seinen Worten einer der wichtigsten nationalen Partner des Kinderhilfswerks: "UNICEF Deutschland hat bislang hervorragende Arbeit geleistet und ist eine der wichtigsten Stützen für uns."

Auch die Sprecherin des Genfer Hauptquartiers der Organisation, Veronique Taveau, sagte der Financal Times Deutschland: "Wir sind besorgt wegen des Image-Schadens für UNICEF." Sie hoffe auf eine schnelle Lösung, damit wieder ungestört gearbeitet werden könne.

Das Blatt berichtete zudem, als erste UNICEF-Gruppe habe sich die Arbeitsgruppe Niederrhein aufgelöst. "Wir hatten 20 Mitarbeiter, von ihnen werden 15 ganz aufhören und 5 zu Nachbargruppen gehen", sagte der Leiter der Gruppe, Herbert Schröders, dem Blatt. Er sei von seinem Amt zurückgetreten.

Strukturveränderungen geplant
Der amtierende UNICEF-Vorsitzende, Reinhard Schlagintweit, sagte der "Financial Times Deutschland" am Dienstag, als Konsequenz aus der Diskussion über die Arbeit von Geschäftsführer Dietrich Garlichs werde es Strukturveränderungen in der Geschäftsstelle und bei der Arbeit des Vorstandes geben. Das Blatt schrieb, bereits in der nächsten Woche werde der Vorstand einen Bericht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG beraten, die bis dahin Vorschläge für organisatorische Veränderungen machen wolle. KPMG hatte Mitte Januar in einem ersten Bericht "Verstöße gegen bestehende Regeln der Vergabe, Durchführung und Kontrolle von Transaktionen" festgestellt, aber keine persönliche Bereicherung. Im Streit mit Garlichs und ihren Vorstandskollegen war die bisherige Vorsitzende Heide Simonis am Samstag zurückgetreten.

Mehr Transparenz nötig
Der UNICEF-Skandal sei symptomatisch für die geringe Transparenz auf dem deutschen Spendenmarkt, erläutert der Leiter der Frankfurter Fundraising-Akademie, Thomas Kreuzer.  "Wir haben einen großen Nachholbedarf im Vergleich zu Ländern wie den USA", unterstrich er in einem epd Interview. Insgesamt bescheinigte Kreuzer den Hilfswerken in Deutschland aber gewissenhafte und solide Arbeit.

Auch bei der Wohltätigkeit koste Qualität Geld, etwa in der Entwicklungszusammenarbeit. Mit einem Verwaltungskostenanteil von 18 Prozent, der bei UNICEF genannt wird, liege die Organisation im mittleren Bereich. Zu dem Vorwurf, die UNICEF-Geschäftsführung habe Geld durch überhöhte Werbehonorare verschwendet, sagte Kreuzer: "Man hat schon den Eindruck, dass manche Dienstleistungsverträge einfach zu hoch waren. Aber wir kennen die Gegenleistung nicht." Den Spendern riet er, die Rechenschaftspflicht der Hilfswerke in Anspruch zu nehmen.