Papst sendet erste Botschaften - Beschämt über Missbrauchsfälle

Benedikt XVI. - Herzlichen Glückwunsch zum 81. Geburtstag

Papst Benedikt XVI. hat seine USA-Reise begonnen. Er landete am Dienstag nach knapp zehnstündigem Flug auf der Andrews Airforce Base in Washington. Dort begrüßten ihn US-Präsident George W. Bush und dessen Ehefrau Laura. An dem kurzen informellen Empfang bei wolkenlosem Himmel nahmen auch der Vorsitzende der US-Bischofskonferenz, Kardinal Francis George, der Erzbischof von Washington Donald Wuerl und weitere Vertreter von Kirche und Politik teil. Seine erste Botschaft zum Kindesmissbrauch durch Priester erreichte die Amerikaner bereits, bevor der Papst US-Boden betrat.

Autor/in:
Johannes Schidelko
 (DR)

Ein formeller Empfang mit militärischen Ehren und dem Abspielen der Hymnen war auf dem Flughafen nicht vorgesehen. Dennoch hießen zahlreiche Schaulustige auf dem schwer gesicherten Flughafen den Papst mit Jubel willkommen, als er die Boeing 777 verließ und an der Seite des Ehepaars Bush und deren Tochter Jenna die wenigen Schritte zur Lounge zurücklegte.

Anschließend fuhr das Kirchenoberhaupt im geschlossenen Wagen zur Apostolischen Nuntiatur in Washington, wo er bis Freitag Quartier nimmt. Für den Abend war nur privates Essen vorgesehen.

Papst zeigt sich tief beschämt über Missbrauchsfälle
Hoch über dem Atlantik, nordwestlich von Frankreich, hatte sich Benedikt XVI. auf dem Flug von Rom nach Washington den Fragen der mitreisenden Journalisten gestellt. Dabei bekundete er nicht nur Freude über seinen bevorstehenden Besuch, umriss auch nicht nur Zweck und Ziel des Besuchs bei den US-Katholiken und bei der UNO 60 Jahre nach der Menschenrechtserklärung. Unmissverständlich äußerte er sich zu dem Thema, das die US-Kirche in den vergangenen acht Jahren am schärfsten bedrängte: die Missbrauchs-Skandale, die landesweite Enthüllung sexueller Vergehen von Geistlichen an Minderjährigen.

Die Botschaft des Papstes war klar: Wer sich der Pädophilie schuldig gemacht hat, kann nicht Priester der katholischen Kirche sein. Er sei zutiefst beschämt über diese Skandale und frage sich, wie so etwas passieren konnte. Er habe Mitgefühl mit der Kirche in den USA, vor allem aber mit den Opfern. Zur Aufarbeitung empfahl er einen Drei-Stufen-Plan: Zunächst eine juristische Klärung im Sinne der Null-Toleranz-Strategie bei Pädophilie, wie sie die US-Bischöfe bereits in ihrem intensiven Bemühen um Schadensbegrenzung in Abstimmung mit dem Vatikan beschlossen hatten. Ausdrücklich differenzierte Benedikt XVI. dabei zwischen Pädophilie und Homosexualität.

Weiter empfahl er eine pastorale Aufarbeitung, die sich um eine «Heilung» der tiefen Verletzungen der Opfer bemühen solle. Und schließlich müsse die Kirche alles daransetzen, dass sich so etwas nie wiederhole. Das gelte insbesondere für die Auswahl der Seminaristen. Zur Priesterausbildung und erst recht zur Priesterweihe, so Benedikt XVI., könne nur zugelassen werden, wer physisch und psychisch gesund und gefestigt sei und eine tiefe Verankerung im Glauben und in der Gottesliebe habe. «Es ist wichtiger, gute Priester zu haben, als viele», so die Maxime des Papstes.

Damit hat Benedikt XVI. nicht nur bereits vor Beginn seiner USA-Reise einen harten Kurs in dem Kirchen-Skandal gefordert, wie ihn die Öffentlichkeit von der Kirche auch erwartete. Er stellt sich auch demonstrativ hinter die US-Bischöfe, die mit einer solchen Linie der Kirche verlorene Glaubwürdigkeit zurückgeben wollen - auch wenn manche Diözese durch Entschädigungszahlungen bis an den wirtschaftlichen Ruin gebracht wurde.

Nicht nur der Missbrauchs-Skandal war Thema der 18-minütigen «fliegenden Pressekonferenz». Es ging auch um das Problem der Zuwanderung aus Lateinamerika - ein Problem, über das er auch mit US-Präsident George W. Bush sprechen wollte, wie Benedikt XVI. betonte. Kurzfristig müsse es um Hilfe für Familien, auch für auseinandergerissene Familien gehen, forderte der Papst. Mittel- und längerfristig müssten die Lebensbedingungen in den Staaten Lateinamerikas verbessert werden, damit die Menschen nicht aufgrund von Not und Hunger ihr Heil in der Auswanderung suchten.

Schließlich gab es auch noch Lob und Anerkennung für die Religiosität in der US-Gesellschaft sowie für die auf die Gründerzeit zurückgehende strikte Trennung von Kirche und Staat. Diese sei zugleich Grundlage für die Freiheit, die Entfaltungsmöglichkeit und das selbstverständliche Nebeneinander der christlichen und anderen religiösen Bekenntnisse in den USA gewesen. Europa könne das nicht so ohne Weiteres kopieren - zumal auch Amerika heute neue Säkularisierungen erlebe, wie der Papst betonte. Eine positive Orientierung könne aber diese Bipolarität gleichwohl bedeuten.

Papst auf Seite eins
Die US-Presse setzte sich zum Auftakt des Besuchs ausführlich mit der Rolle des Papstes auseinander. Die Tageszeitung «Washington Post» stellte die Frage, ob der Stil dieses Papstes zu kompliziert sei, um die Aufmerksamkeit der US-Amerikaner zu erregen. Seine Reise-Agenda ähnele eher einer «Theologievorlesung» als einem «Event für Massenmedien».

Einer Umfrage der Zeitung zufolge sehen rund drei Viertel der US-Katholiken Benedikt XVI. in einem positiven Licht. Allerdings seien 62 Prozent der Meinung, dass die katholische Kirche nicht im Einklang mit ihren Ansichten sei. Als Gründe wurden am häufigsten unterschiedliche Auffassungen zum Priestertum genannt. Rund die Hälfte der Befragten erhofft sich demnach, dass der Papst die traditionellen Lehren der Kirche stärker betonen werde. 45 Prozent wünschten sich hingegen, dass er im Grundton mehr den Realitäten katholischen Lebens in den USA entspreche.

Die führende Zeitung des Landes, die liberale «New York Times», berichtet über die Kosten des Besuches. So zitiert das Blatt Vertreter der Erzdiözese Washington, die allein für den dreitägigen Papst-Aufenthalt in der Hauptstadt mit umgerechnet rund 1,9 Millionen Euro Kosten rechnen.

Die «Los Angeles Times» nennt Benedikt XVI. auf ihrer ersten Seite einen Diplomaten in doppelter Hinsicht. Zum einen sei er auf «pastoraler Mission» zu den rund 70 Millionen katholischen US-Amerikanern, zum anderen auf einer «diplomatischen Mission» zur Regierung von Präsident George W. Bush sowie zu den Vereinten Nationen. Alle Gastgeber würden die diplomatischen Fähigkeiten des Papstes «austesten» und seien eine große Herausforderung für ihn, schreibt auch der renommierte «Boston Globe».

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