Tibet-Initiative begrüßt Chinas Gesprächs-Angebot - domradio-Experte skeptisch

Symbolpolitik

Immer wieder hatte der Dalai Lama in den vergangenen Wochen seine Gesprächsbereitschaft mit China bekundet. Peking reagierte in der Regel mit Beleidigungen und Verleumdungen des weltlichen und geistlichen Oberhaupts der Tibeter. Erfolgt nun die Wende in dem Dialog? Zuständige Abteilungen der chinesischen Zentralregierung wollen Abgesandte des Dalai Lama treffen. Carsten Rauch, China-Experte der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung, zeigte sich im domradio skeptisch, ob Gespräche zur Zeit weiterhelfen können. Als einen "Schritt des Aufeinanderzugehens", begrüßte die "Tibet Initiative Deutschland" gegenüber domradio.de die Entscheidung. Allerdings müsse man das Treffen abwarten.

 (DR)

"Ob es nur Augenwischerei ist wird sich dann zeigen", so Boris Eichler, Sprecher der Initiative. Ein wirklicher Durchbruch und eine "Sensation", so Eichler, wäre ein direktes Treffen zwischen dem Dalai Lama und der politischen Führung Chinas. Doch das sei nicht zu erwarten. "Es wäre zu befürchten, dass der Dalai Lama das Land nicht in Freiheit verlassen kann, wenn er nach China reist."

Nach den Aufforderungen zum Dialog mit dem Dalai Lama wegen der Tibet-Krise gab es Freitag eine Reaktion aus der chinesischen Führung. Peking werde in den nächsten Tagen «Kontakte und Konsultationen zu einem privaten Vertreter des Dalai Lama» aufnehmen, berichtete die amtliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua am Freitag. Es blieb zunächst unklar, ob es sich um ein neues Angebot oder die Bekräftigung der alten Position handelt.

Xinhua zitierte einen nicht genannten Funktionär der chinesischen Regierung. Er betonte, dass sich Pekings Tibet-Politik nicht gewandelt habe: «Die Politik der Zentralregierung gegenüber dem Dalai Lama ist unverändert und die Tür zum Dialog ist offen geblieben.» Peking hoffe, dass «die Seite des Dalai Lama glaubhafte Schritte unternimmt, alle Aktivitäten zu beenden, die das Ziel der Spaltung Chinas haben». Als Vorbedingung für Gespräche müsse der Dalai Lama unter anderem alle Versuche beenden, die Olympischen Spiele zu stören und zu sabotieren.

Gordischer Knoten
Kritische Stimmen sehen in dem Angebot der Regierung vor allem einen Versuch, den außenpolitischen Druck zu schwächen. Carsten Rauch, China-Experte der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung ist skeptisch, ob Gespräche zur Zeit weiterhelfen. Reden sei aber dem nicht miteinander Reden vorzuziehen, so Rauch. Er sieht vor allem drei Faktoren, die einem Erfolg im Wege stehen.

In den vergangenen Jahren habe es insgesamt sechs Begegnungen zwischen Repräsentanten des Dalai Lama und der Einheitsfront-Abteilung der Partei gegeben, die alle ergebnislos verliefen. Im vergangenen Jahr wurden die Gespräche unterbrochen. Das Klima habe sich seitdem nicht geändert, fürchtet der China-Experte Rauch.

Peking verlangt vom religiösen Oberhaupt der Tibeter, er müsse seine «Unabhängigkeitsbestrebungen» für Tibet aufgeben und eindeutig erklären, das Tibet zur Volksrepublik gehöre. Der Dalai Lama erklärt seit langem, dass er lediglich eine echte Autonomie für sein Volk anstrebe, und begrüßt auch die Olympischen Spiele in Peking. Die Positionen der beiden Seiten seien "nicht kompatibel". Carsten Rauch kann im Moment noch keinen Kompromiss erkennen, der diesen "Gordischen Knoten" durchschlagen könne.

Auch auf den Seiten der Tibeter sieht der Experte Probleme für eine Befriedung des Konflikts. Anders als China, gingen letzlich "alle anderen" davon aus, dass der Dalai Lama nicht hinter den letzten Unruhen in Tibet stecke. In Tibet gebe es Organisationen, die mit der Gewaltfreiheit des Dalai Lama nicht mehr viel anfangen könnten.

EU zu Gesprächen in Peking
Die Tibet-Krise war auch Thema beim Peking-Besuch von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Barroso äußerte nach Gesprächen mit dem chinesischen Regierungschef Wen Jiabao in Peking die Hoffnung, dass es «in der Tibet-Frage schon bald eine positive Entwicklung gibt». Er habe «freimütig und unverblümt» mit Wen über das Thema gesprochen, sagte Barroso. Die EU spreche sich «für einen Dialog mit dem Dalai Lama und eine konstruktive Lösung». Zugleich respektiere sie die «Souveränität Chinas vollständig».

Barroso war mit neun EU-Kommissaren nach China gereist. Er hatte am Donnerstagabend und Freitagmorgen mit Ministerpräsident Wen gesprochen. Der Besuch gehört zu einer Reihe hochrangiger Treffen, in denen sich Europäer und Chinesen über die weitere Zusammenarbeit verständigen wollen. Themen sind unter anderem Wirtschaft, Umwelt, Klimaschutz und Energie. «Um die globalen Herausforderungen zu bewältigen, müssen wir eng zusammenarbeiten», so Barroso. «Die Zukunft unseres Planeten steht auf dem Spiel.»

Zeitgleich zur Barroso-Visite beschwerte sich die Europäische Handelskammer über die schärferen chinesischen Visa-Bestimmungen für Händler und Investoren vor den Olympischen Spielen. Die neuen Vorschriften behinderten die Geschäfte und machten Reisen nach China teurer und unkalkulierbarer, erklärte der deutsche Kammerpräsident Jörg Wuttke am Freitag. Verträge könnten wegen der neuen Regeln scheitern. Die Kammer hoffe deshalb, dass man bald wieder zur Normalität zurückkehre.statt.