Griechisch-katholischer Patriarch über den Streit der Anglikaner

"Viele sagen: Wir brauchen einen Papst"

Patriarch Gregorius III. Laham ist griechisch-katholischer Patriarch von Antiochien mit Sitz in Damaskus. Er ist einer von mehr als 75 ökumenischen Teilnehmern bei der Lambeth-Konferenz der Anglikaner in Canterbury. Im KNA-Interview äußert sich Laham über die Herausforderungen der anglikanischen Kirche, die von Spaltung bedroht ist, und macht sich für eine strukturelle Reform stark.

Autor/in:
Klaus Nelißen
Gregoire III. Laham: Ehem. Melkitischer Patriarch  (KNA)
Gregoire III. Laham: Ehem. Melkitischer Patriarch / ( KNA )

KNA: Patriarch Gregorius, wie ist es, als Vertreter der Ökumene auf dem größten Bischofstreffen der Anglikaner zu sein?
Gregorius III.: Ich bin der erste griechisch-katholische Patriarch, der zu einer Lambeth-Konferenz kommt. Zusammen mit anderen orthodoxen und lateinischen Patriarchen sind wir nun als Gäste da und ich bin sehr froh, dass wir hierher kamen. Sie wollten uns als Zeichen der Solidarität und der Stütze haben. Was wir hier erleben, ist die großartige Gemeinschaft der verschiedenen Bischöfe der Anglikanischen Union. Mit dem Erzbischof von Canterbury, Rowan Williams, verbindet mich eine über 15 Jahre alte Freundschaft. Seine Kirche hat Schwierigkeiten, weil sie so verbreitet ist und die Bischöfe dennoch keine Gemeinschaft im echten Sinn des Wortes haben. Ich habe mit einigen Bischöfen gesprochen, sie sagten: Wir brauchen einen Papst.

KNA: Ist der aktuelle Konflikt also ein strukturelles Problem?
Gregorius III.: Das auch. Wenn eine Gemeinschaft eine bestimmte Struktur hat, kann diese besser mit Problemen umgehen, als wenn sie so verfrachtet ist und jeder seine eigenen Synoden und Visionen hat.
Es sind natürlich Moralprobleme, über die der Streit entbrannte, aber wenn die Struktur stark ist, kann eine Kirche damit besser umgehen. Das ist ein Mangel. Ich habe mit Erzbischof Williams darüber gesprochen und ihm erklärt, wie schön es wäre, wenn die rund eine Milliarde Christen weltweit eine gemeinsame Stimme hätten, lassen wir die Frage der Lehre des Primats einmal außen vor. Das würde eine große Hilfe für die Christen sein. Wir sehen, dass die islamische Welt immer stärker wird und wir Christen durch unsere Zersplitterung schwächer sind.

KNA: Zeigt der Erzbischof von Canterbury Sympathien für Ihre Gedanken?
Gregorius III.: Ich möchte nicht in seinem Namen sprechen, aber ich kenne ihn. Er hat ein offenes Denken und nach meiner Ansicht neigt er auch dazu.

KNA: Braucht die anglikanische Kirche einen Papst oder den Papst in Rom?
Gregorius III.: Nicht unbedingt Papst Benedikt, aber eine Stimme. Im Konzil von Chalkedon kamen die meisten Bischöfe aus dem Osten.  Wonach sie aber verlangten, war eine Stimme des Westens. Als dann der Vertreter des Papstes kam, sagten sie: Jetzt haben wir die Stimme von Papst Leo. Eine gemeinsame Stimme ist heute sehr wichtig, wie Jesus gesagt hat: damit die ganze Welt glaubt. Es geht um den "sensus ecclesiae", denn Respekt vor der Tradition der anderen Kirchen - auch wenn wir nicht mit ihnen in Gemeinschaft stehen. Der Anfang des Schismas war immer der, dass Kirchen aufhörten, aufeinander zu achten. Meine Vision ist, zueinander zu finden, den Anderen und seine Wege zu sehen, diese teilweise mit zu gehen und ihn zu achten lernen. Dann haben wir viel weniger Schismen - auch innerhalb unserer katholischen Kirche.

KNA: Müssen also auch Katholiken lernen, dass Anglikaner Frauen weihen?
Gregorius III.: Wir müssen diese Positionen studieren, nicht einfach ablehnen. Darum geht es auch in der Frage um verheiratete Priester.
Man muss das mit Gefühl machen, mit Respekt für die Meinung der Anderen. Dann kann man näher zueinander kommen.

KNA: Wird die anglikanische Kirche bei dieser Lambeth-Konferenz zerbrechen oder fängt sie sich wieder?
Gregorius III.: Wie ich das erlebe, ist der Wille zu einem aggiornamento, wie es Papst Johannes XXIII. nannte, vorhanden. Es gibt einen Wille zur Gemeinschaft. Viele Bischöfe sprachen von der stärkeren Sehnsucht nach Gemeinschaft. Ich fragte sie, wie sie kirchliche Gesetze machen, und ich hörte, dass das allein Sache der Nationalsynoden ist. Das ist problematisch. Denn das Kirchenrecht ist doch der Maßstab für eine Kirche und auch Wegweiser für die Wandlungen. Wir orientalischen Katholiken sind orthodox und betonen zugleich die Gemeinschaft. Unser neues Kirchenrecht von 1990 hat eine gemeinsame Rechtsbasis und ein spezielles Kirchenrecht für jede Tradition nach ihrem Bedarf. Ein gemeinsames Kirchenrecht für die Gemeinschaft der Anglikaner, das zugleich auch Raum lässt für spezielle Fragen und Farbschattierungen, hätte große Vorteile.

KNA: Denken Sie, dass die Anglikaner in der strukturellen Frage anders aus der Lambeth-Konferenz herausgehen werden, als sie hineingegangen sind?
Gregorius III.: Ich habe mit zahlreichen anglikanischen Bischöfen gesprochen. Es gibt viele, die einsehen, dass sie ein wenig zersplittert und zerstreut sind. Sie sehnen sich nach mehr Einheit.