Kyrill ist neuer Moskauer Patriarch

"Ich nehme Gnade Gottes an"

Kyrill, bislang Metropolit von Smolensk und Kaliningrad, ist neues Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche. Vertreter aus Kirche und Politik gratulierten Kyrill, der als Modernisierer gilt. Der Papst blickt zuversichtlich in die Zukunft der Beziehung zwischen Orthodoxen und Katholiken.

 (DR)

Der Vatikan hat die Wahl des Metropoliten Kyrill von Smolensk und Kaliningrad zum neuen Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche begrüßt. Papst Benedikt XVI. blicke voll Vertrauen auf die Fortführung der Beziehungen zwischen Orthodoxen und Katholiken, sagte Vatikansprecher Federico Lombardi nach Angaben von Radio Vatikan vom Mittwoch. Das katholische Kirchenoberhaupt hoffe, dass der bisherige Leiter des Außenamtes des Moskauer Patriarchats sein "äußerst wichtiges Amt auf die bestmögliche Weise ausfüllt". Der neue Patriarch möge seiner Kirche einen großzügigen Dienst leisten.

Der Vorsitzende Erzbischof Robert Zollitsch der Deutschen Bischofskonferenzerklärte am Mittwoch in Bonn, Kyrill übernehme das Patriarchen-Amt in einer Zeit, in der die Kirche ihren Platz im Leben der russischen Gesellschaft neu gefunden habe, andererseits aber auch noch die Folgen der mehr als 70-jährigen kommunistischen Herrschaft spüre. Wörtlich heißt es: «Sie stehen vor der Herausforderung, das reiche und vielfältige innerkirchliche Leben zu konsolidieren.»

Der Präsident des Einheitsrates und "Ökumene-Minister" des Papstes, Kardinal Walter Kasper, wird an den Feiern zum Amtsantritt des neuen Patriarchen am Sonntag teilnehmen. Aus Deutschland reist unter anderen der Vorsitzende der Ökumene-Kommission der Deutschen Bischofskonferenz an, Bischof Gerhard Ludwig Müller von Regensburg.

Auch der Vorsitzende der Französischen Bischofskonferenz, Kardinal Andre Vingt-Trois, sicherte Kyrill die Fortsetzung des "brüderlichen Dialogs" seitens der französischen Kirche zu. Er erinnere sich gern an vorherige Treffen, schreibt der Erzbischof von Paris.

Die Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) gratulierte Kyrill und wünschte eine Fortsetzung der gemeinsamen "ökumenischen Reise". Seit Oktober ruht Russlands Mitgliedschaft in dem ökumenischen Kirchengremium. Grund ist ein Streit um die Bewerbung der estnisch-orthodoxen Kirche um Mitgliedschaft in der KEK. "Wir setzen uns dafür ein, die volle Mitarbeit der russisch-orthodoxen Kirche in der KEK wieder zu garantieren", schreibt KEK-Generalsekretär Colin Williams. Kyrill habe bislang den ökumenischen Weg immer gefördert. Die KEK hoffe nun auf eine Wiederherstellung der Vollmitgliedschaft des Moskauer Patriarchats bereits bei der 13. Vollversammlung der KEK im Juli in Lyon, so Williams.

Grüße aus Moskau
Auch Russlands Staatspräsident Dmitri Medwedew hat dem neuen Patriarchen von Moskau und ganz Russland Kyrill zu seiner Wahl gratuliert. In einem Telefonat habe er Kyrill die weitere Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirche beim Aufbau moralischer Werte in der Gesellschaft angeboten, sagte eine Präsidentensprecherin laut russischen Medienberichten vom Mittwoch. Medwedew sei überzeugt, dass das neue Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche für ein gutes Auskommen zwischen den Religionen in Russland eintreten werde, wird die Sprecherin zitiert. Auch Ministerpräsident Wladimir Putin beglückwünschte Kyrill telefonisch.

Kyrill betonte nach der Wahl vor den Mitgliedern des Konzils, dass der Patriarch ein schweres Kreuz zu tragen habe. "Ich nehme aus Ihren Händen diese Gnade Gottes an; ich bitte, meine menschlichen Schwächen zu verzeihen; ich bitte Sie um Ihre Hilfe beim Dienst für Gott. Beten Sie um Gottes Hilfe", so das neue Kirchenoberhaupt.

Der Ständige Vertreter des Moskauer Patriarchates in Deutschland, der Düsseldorfer Erzbischof Longin von Klin, begrüßte die Wahl Kyrills. Er sei bestens für die Leitung der größten orthodoxen Nationalkirche weltweit geeignet, sagte Longin der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Mittwoch vom Konzil in Moskau. Zugleich äußerte er sich zuversichtlich, dass es zu einem Treffen des neuen Patriarchen mit Papst Benedikt XVI. kommen werde. Zunächst müssten allerdings die Differenzen zwischen der russisch-orthodoxen Kirche ausgeräumt werden. Dies hänge nicht allein von Moskau ab, so Longin.

Große Mehrheit
Ein Landeskonzil aus Bischöfen, Geistlichen und Laien wählte ihn am Dienstag in der Moskauer Christus-Erlöser-Kathedrale mit großer Mehrheit zum Patriarchen. Der als Modernisierer geltende Leiter des kirchlichen Außenamtes tritt die Nachfolge des im Dezember verstorbenen Alexij II. (1990-2008) an.

Nach Angaben der Wahlkommission erhielt Kyrill in der 508 von 702 abgegebenen Stimmen. Metropolit Kliment (59), der Verwaltungschef des Patriarchates, kam auf 169 Stimmen. Unmittelbar vor der Wahl hatte der Metropolit von Minsk, Filaret (73), seine Kandidatur zurückgezogen und zur Wahl Kyrills aufgerufen. Die Amtseinführung Kyrills findet am Sonntag statt.

Die Bekanntgabe des Ergebnisses wurde vom russischen Fernsehen und der Webseite der Kirche übertragen. Kyrill war bereits zuvor als Favorit gehandelt worden. Seit dem Tod von Alexij II. leitete er die Kirche übergangsweise. Es war die erste Patriarchen-Wahl seit dem Ende der Sowjetunion. Seither hat sich die Kirche wieder als eine moralische Instanz etabliert und greift zunehmend in die Politik ein.

Rund 150 Millionen Mitglieder
Der russisch-orthodoxen Kirche gehören mit 150 Millionen Mitgliedern mehr als die Hälfte der rund 250 Millionen orthodoxen Christen weltweit an. 70 bis 80 Prozent der Russen bekennen sich heute zum orthodoxen Glauben.

Kyrill schloss bei der Eröffnung des Landeskonzils Kompromisse mit anderen christlichen Konfessionen in Glaubensfragen aus. Ziel des zwischenkirchlichen Dialogs sei der Kampf gegen die Marginalisierung von Religion und die Verteidigung der Moral. In seinem Bericht sagte er, das Patriarchat sei bei der Nutzung des Internets Vorreiter unter den Kirchen.

Vor der Erlöser-Kathedrale hatten mehrere hundert Menschen auf die Kür des neuen Patriarchen gewartet. Die umliegenden Straßen waren für den Verkehr gesperrt.

Doppelt so viele Mitglieder wie bei der Patriarchenwahl 1990
Die russisch-orthodoxe Kirche zählt auch fast alle ehemaligen Sowjetrepubliken zu ihrem kanonischen Territorium. Die Zahl der Pfarreien und Klöster stieg nach dem Ende des kirchenfeindlichen kommunistischen Regimes stark an. Dementsprechend hatte das Landeskonzil nun mehr als doppelt so viele Mitglieder wie bei der Patriarchenwahl 1990.

Fast die Hälfte der 711 Mitglieder des Konzils kam aus dem Ausland, die meisten davon mit 192 aus der Ukraine; 10 kamen aus Deutschland.
Die rund 200 Bischöfe machten weniger als ein Drittel der 711 Delegierten aus. Rund 500 Wahlberechtigte waren von den Diözesen entsandt, jeweils ein Priester, ein Ordensmitglied und ein Laie.

Unter den Laien waren neben Kirchenbediensteten auch Geschäftsleute, Schauspieler und Staatsbeamte. Kritik an den sogenannten VIP-Delegierten wies die Kirche zurück.